Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagt, dass jeder dritte Asylbewerber unter psychologischen Problemen leide. Droht eine Gewaltkrise? Und was wäre die Antwort: Therapeuten für alle?
Mehr Therapeuten, das wäre eine Lösung. Ein dichtes Netz an Sozialarbeitern, Medizinern und psychiatrisch geschultem Personal, das jeden auffängt, der Auffälligkeiten zeigt.
Die „Zeit Online“-Redakteurin Vanessa Vu hat den Weg bei „Caren Miosga“ gewiesen. „Wir haben Menschen in Not, offen- bar psychiatrisch auffällig, offenbar haben sie nicht die Hilfe erhalten, die sie gebraucht hätten, um solche Taten nicht zu begehen, das ist einfach insgesamt sehr bestürzend“, sagte sie nach der Bluttat von Aschaffenburg. Außerdem, so Frau Vu weiter, müsse man grundsätzlich fragen, warum es immer junge Männer seien, die zur Waffe griffen – oder wie sie mit Rücksicht auf den Flüchtlingsstatus sagte – „verzweifelte junge Männer“.
Das wäre eine weitere Möglichkeit: alle Männer unter Beobachtung stellen lassen. Nicht die Herkunft oder die ideologische Überzeugung, sondern die Geschlechtszugehörigkeit sei das verbindende Element, so hat es auch der Soziologe Andreas Kemper geäußert: „Es sind immer Männer, die sich ermächtigen, willkürlich zu morden. Egal ob Schweden, Afghanen, Deutsche: DAS ist das Problem.“
Beim Blick auf die Führungsriege der Grünen Jugend, die da sofort mit dem Kopf nickt, habe ich zugegeben Mühe, einen Überschuss an gefährlicher Männlichkeit zu erkennen. Bevor einer wie Jakob Blasel auch nur die Stimme erhebt, muss erst einmal eine Einverständniserklärung seiner Co-Vorsitzenden her. Aber wer weiß, vielleicht wohnt auch ganz tief drinnen in Jakob Blasel ein Tier, das lediglich darauf wartet, von der Leine gelassen zu werden.
Dann wäre da noch der Vorschlag einer rigideren Grenzkontrolle, wie ihn der Kanzlerkandidat der CDU favorisiert. Statt jeden ins Land zu lassen, der bei drei „Asyl“ ruft, könnte man in Zukunft genauer hinschauen, wer da eigentlich kommt. Das würde zwar keine Gewalttaten von Flüchtlingen verhindern, die bereits im Land sind. Aber es würde die Wahrscheinlichkeit verringern, dass der Anteil von Menschen, die in Deutschland nicht zurechtkommen, beständig größer wird. Doch dieser Vorschlag ist selbstverständlich völlig indiskutabel, weil viel zu pragmatisch.
Bleiben wir aus gegebenem Anlass für einen Augenblick bei der Miosga-Lösung. Auch nach der Amokfahrt von München hieß es als Erstes, man müsse mehr in die Vorsorge investieren, weil der Täter im Asylverfahren eine posttraumatische Belastungsstörung geltend gemacht hatte.
Da kommt einiges auf die Kommunen zu, wenn sie nun auch noch die psychologische Betreuung sicherstellen sollen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagt, dass jeder dritte „Geflüchtete“ unter psychologischen Problemen leide. Das ist eine enorme Zahl. Allein vergangenes Jahr hat Deutschland 250000 Asylbewerber aufgenommen, zusätzlich zu den 2,7 Millionen, die seit 2015 ihren Weg zu uns gefunden haben. Wenn ein Drittel davon behandlungsbedürftig ist, dann wären das annähernd eine Million Menschen.
Ob Herr Lauterbach oder Frau Vu oder Frau Miosga mal versucht haben, einen Therapieplatz zu ergattern? Selbst akute Fälle werden vertröstet, weil es nicht genug Fachpersonal gibt. Die Bundespsychotherapeutenkammer schätzt, dass es schon jetzt 7000 Kassensitze zu wenig gibt. Ich will gar nicht über die Kosten reden. Ich sage nur: Wenn man die Bürger so richtig gegen sich aufbringen will, kommt man mit so einer Idee um die Ecke.
Ich kenne mich ein wenig bei mentalen Problemen aus. Zwei Jahre habe ich als Zivildienstleistender in einer psychiatrischen Nachsorgeeinrichtung in Hamburg gearbeitet. Unter den Bewohnern gab es alles, was der psychotische Formenkreis zu bieten hat: Manien, bipolare Störungen, schwere Depressionen, Schizophrenien. Aber dass sich je-mand ins Auto gesetzt hätte, um dieses in eine Menschenmenge zu steuern, ist in all den Jahren, die es die Ein- richtung nun gibt, nicht ein einziges Mal vorgekommen.
Eine Leserin hat mich darauf hin-gewiesen, dass auch nach dem Ko-sovo-Krieg viele traumatisierte Menschen nach Deutschland gekommen seien. Den Überlebenden des IS- Terrors wurde ebenfalls Furchtbares angetan. Trotzdem hat man bislang nicht vernommen, dass einer der Kriegsflüchtlinge wahllos auf Kinder eingestochen hätte.
Bis heute klammern sich viele an die Vorstellung, man könnte eine Änderung der Migrationspolitik umgehen, wenn man irgendwie mehr Verständnis für die Täter aufbringen würde. Weshalb fällt es gerade Politikern links der Mitte so schwer, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen? Auch im linken Milieu kann man bei gesellschaftlich schädlichem Fehlverhalten sehr un-nachsichtig sein. Einmal die Hand zum Hitlergruß gehoben oder im Suff „Ausländer raus“ gegrölt und selbst kirchentagsbewegte Grüne fordern sofortige Exklusion. Nur wenn es um afghanische Gewalttäter geht, herrscht erstaunliche Geduld.
Ich glaube, muslimische Flüchtlinge dienen als Projektionsfläche. Sie sind der Ersatz für die Unterdrückten und Entrechteten, die der Linken mit der Arbeiterklasse abhandengekommen sind. Dazu kommt eine gewisse Romantisierung. Schon der Ahnvater der Bewegung, der französische Phi-losoph Jean-Jacques Rousseau, schwärmte vom „edlen Wilden“, der im Einklang mit der Natur lebe, unberührt von allen Defiziten der Moderne. Dass es sich bei dem „edlen Wilden“ um eine westliche Fantasie handelte, gehört inzwischen zum Stand der Wissenschaft – nur bis zu den modernen Bewunderern des indigenen Weltenwanderers scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben.
Kritiker sagen, dass man nicht so tun solle, als ob ungesteuerte Migration das größte Problem Deutschlands sei. Es ist vielleicht nicht das größte, wäre meine Antwort, aber ein sehr großes. Ich kenne aus dem Kindergarten eine Reihe von Eltern, die inzwischen Menschenansammlungen meiden. Wir leben in einem der sichersten Länder der Welt, keine Frage. Aber wenn sich normale Bürger nicht mehr auf Weihnachtsmärkte oder Straßenfeste trauen und die Gewerkschaften Demos aussetzen, weil sie ihre Mitglieder nicht dem Risiko eines Angriffs aussetzen wollen, liegt etwas im Argen.
Auch ökonomisch bleibt der unkontrollierte Zuzug nicht ohne Folgen. Nahezu 50 Milliarden Euro geben wir dieses Jahr für das sogenannte Bürgergeld aus, wobei die Hälfte der Bezieher, anders als das Wort Bürgergeld vermuten lässt, gar keinen deutschen Pass hat. Dazu kommen die Kosten für Unterbringung, medizinische Versorgung, Schule, Kita und natürlich die Asylverfahren.
Der Attentäter von München hat nicht nur zwei Anhörungen im Bundesamt für Migra-tion und Flüchtlinge durchlaufen, wie man der Zeitung entnehmen konnte. Anschließend hat sich auch noch ein Gericht mit seinem Fall befasst, da er den abschlägigen Bescheid nicht hinnehmen wollte. Die Bundesregierung hat in ihrer un- endlichen Weisheit kurz vor dem Bruch der Ampel verfügt, dass ausreisepflichtigen Ausländern automatisch ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wird, der ihnen hilft, gegen die Ausweiseverfügung vorzugehen. All das will bezahlt sein. Zusammengerechnet kommt man auf einen Betrag, der leicht an den Verteidigungshaushalt heranreicht.
Bei „Markus Lanz“ saß neulich Michael Kyrath, der vor zwei Jahren bei der Messerattacke von Brokstedt seine 17-jährige Tochter verlor. Man sei inzwischen mit weit über 300 Elternpaaren im Kontakt, die das Schicksal teilten, sagte er. Und er fuhr dann fort:
„Was uns alle eint, es ist immer dasselbe Täterprofil, es ist dasselbe Tatwerkzeug, es ist nahezu derselbe Tathergang, es sind nahezu dieselben Tatmotive und es sind am Ende einer Tat dieselben Floskeln, die wir seit Jahren hören, die Versprechungen der Politiker ‚wir machen, wir tun‘ – ge-schehen ist überhaupt gar nichts. Wir werden die nächsten Fälle wieder erleben. Und wir werden wieder erleben, dass die üblichen politischen Verantwortlichen an der nächsten Tatstelle stehen und wieder Bedauern bekunden, wie schrecklich das doch ist, und wieder versprechen, was sie nicht alles in Bewegung setzen wollen, und danach wird wieder nichts passieren.“
Ich will nicht zu pathetisch werden, aber am 23. Februar geht es auch um die Frage, ob Herr Kyrath Recht behält oder nicht.
© Michael Szyszka