Monat: März 2024

Es lebe der Blockwart! Wie SPD und Grüne das Denunzieren als Dienst an der Demokratie verkaufen

Wer sich als Partei mit dem Staat verwechselt, der verwechselt Regierungskritik schnell mit Staatskritik. Auch die ist nach dem Grundgesetz erlaubt. Demnächst allerdings in deutlich engeren Grenzen, wenn es nach den Grünen geht

 Ende Januar lasen die Autoren Henryk M. Broder und Reinhard Mohr in Berlin aus ihrem Buch „Durchs irre Germanistan“. Das Buch, das seit Wochen auf der Bestsellerliste des „Spiegel“ steht, ist ein munterer Streifzug durch die Ampel-Republik, bei dem vor allem Leute auf ihre Kosten kommen, die nicht jeden Tag ein Lichtlein für Annalena Baerbock und Robert Habeck aufstecken.

Die beiden Autoren sind geübte Vortragende, sie arbeiten nach dem Motto: Lieber einen Freund verlieren als eine gute Pointe. Die Stimmung war, trotz des traurigen Sujets, entsprechend heiter. Das Publikum, die bei solchen Gelegenheiten typische Berliner Mischung aus Alt-Achtundsechzigern, undogmatischer Linke und bürgerlicher Mitte, zeigte sich zufrieden.

Wenige Tage nach der Lesung fand sich auf dem Online-Melde-Portal „Berliner Register“ („Melde Diskriminierung und extrem rechte Aktivitäten an uns“) neben Berichten über Hakenkreuzschmierereien und ausländerfeindlichen Äußerungen folgender Eintrag:

„In der Bibliothek des Konservatismus fand eine Lesung statt, bei der das Buch Durchs irre Germanistan‘ durch die beiden Autoren vorgestellt wurde. Der Begriff ‚Germanistan‘ kann so verstanden werden, dass er durch die begriffliche Anlehnung an Namen arabischer Staaten die angebliche Rückschrittlichkeit Deutschlands verdeutlichen soll. Dies kann als rassistisch eingeordnet werden, weil arabischen Staaten eine Rückständigkeit zugeschrieben und auf Deutschland übertragen wird.“

In der Lesung seien zudem auf satirische Weise feministische Themen wie das Gendern und das Selbstbestimmungsgesetz ins Lächerliche gezogen worden. „Geschlechtergerechte Sprache wurde als Ausdruck von Kleingeist und Konformität dargestellt. Beispielsweise wurde einem Radiomoderator, der einem der Autoren durch seine geschlechtergerechte Ausdrucksweise aufgefallen war, unterstellt, hätte er im Nationalsozialismus gelebt, hätte er auch mit ‚Heil Hitler‘ unterschrieben. Diese Analogie kann zudem als NS-verharmlosend interpretiert werden.“

Rassistisch, frauenfeindlich und zudem noch nah an der Verharmlosung des Dritten Reichs: Viel mehr geht eigentlich nicht. Ich habe Reinhard Mohr sofort angerufen. Ihn plagte eine furchtbare Erkältung, als wir sprachen, aber ansonsten schien er unverändert guter Dinge. Für alles gäbe es eine Premiere, sagte er, auch für anonyme Anschwärzung. „Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich jetzt denunziert worden, dabei stammen sämtliche inkriminierten Stellen aus einem im Handel frei erhältlichen Buch. Man sieht, wie sich der Geist des Blockwarts über alle Zeitenwenden hinweg erhalten hat.“

Broder und Mohr sind alte Hasen. Die Zwei wirft so schnell nichts aus der Bahn, schon gar nicht die Nennung bei einer Berliner Meldestelle. Jüngere Autoren sind da allerdings möglicherweise nicht so hart gesotten. Man weiß ja, wie das geht: Erst steht man prominent im Netz, dann heißt es: „Können wir den noch einladen? Der verbreitet angeblich antifeministische Texte.“ Dann ist man plötzlich ein umstrittener Autor. Und die Zeiten, als „umstritten“ ein Ehrenzeichen waren, sind definitiv vorbei. Wenn heute etwas die intellektuelle Szene in Deutschland auszeichnet, dann das Bedürfnis, nicht anzuecken.

Das „Berliner Register“ ist das jüngste Beispiel für eine neue Private-Public-Partnership, die sich unter Schirmherrschaft von SPD und Grünen entwickelt hat. Private Betreiber übernehmen das Handling (in dem Fall der sozialistische Jugendverband Die Falken), die Finanzierung kommt vom Staat. Bis zu einer Million Euro erhält das „Berliner Register“ jährlich an Fördergeldern von der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus gibt es Zuwendungen durch eine Reihe von Bezirksämtern. Das stellt die ganze Veranstaltung nicht nur auf eine solide ökonomische Basis, sondern verleiht den als „Vorfällen“ deklarierten Meldungen doch gleich mehr Gewicht.

Wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit? Bislang galt hier Artikel 5 Grundgesetz, wonach jeder frei ist, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern. Einschränkendes regelten die Gesetze zum Persönlichkeitsschutz sowie spezielle Strafnormen (keine Volksverhetzung, kein Gewaltaufruf!). Wo beides kollidiert, die Meinungsfreiheit und das Strafrecht, legte das Verfassungsgericht fest, dass bei mehrdeutigen Aussagen immer der Deutung Vorrang zu gewähren sei, die eine Strafbarkeit ausschließe.

Das möchte die Bundesregierung so nicht mehr stehen lassen. Es soll nun das Gegenteil gelten: im Zweifel gegen den Angeklagten. „Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt“, verkündete Bundesfamilienministerin Lisa Paus im Februar auf einer Pressekonferenz zum Thema „Hass im Netz“. Hass komme auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vor, dem Umstand wolle man Rechnung tragen.

Die Antwort heißt: „Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung“. Aus Sicht der Regierung braucht es nicht nur neue Instrumente wie Meldeportale, bei denen man als aufmerksamer Bürger dann antifeministisches, transfeindliches und überhaupt diskriminierendes Verhalten anzeigen kann. Es braucht auch neue Kategorien, wenn man Delikte unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfassen will.

Statt von der Meinungsfreiheit ist nun von mentalen und verbalen Grenzverschiebungen die Rede, die es in den Blick zu nehmen gelte. Der Chef des Bundesverfassungsschutzes spricht von „Denk- und Sprachmustern“, die sich nicht in der Sprache einnisten dürften. Seine Behörde hat im Jahresbericht vorsorglich eine neue Rubrik eingeführt: „Delegitimierung des Staates“, lautet diese.

Wie man sich der Delegitimierung verdächtig macht? Indem man zum Beispiel die politischen Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels infrage stellt und damit Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Staates untergräbt. So steht es da wörtlich drin.

Wer wäre nicht gegen Hass? Ich war vergangene Woche zu Gast in der „Münchner Runde“ beim Bayerischen Rundfunk. Mir gegenüber saß Katharina Schulze von den Grünen. Schulze berichtete, welche Mails sie erreichen. Von wüsten Beschimpfungen bis zu Vergewaltigungsandrohungen ist alles dabei. Sie würde gerne sagen, dass sie das völlig kalt ließe, sagte sie, aber das wäre gelogen.

Auch mich erreichen regelmäßig Beleidigungen. Ich kann nicht mehr sagen, wie oft ich mich schon im Kofferraum eines Autos wiederfand. Aber das, was auf Frauen einprasselt, hat noch einmal eine ganz andere Qualität. Fast immer geht es ums Aussehen, häufig wird es schlüpfrig oder freiheraus ekelhaft. Da muss man schon aus sehr hartem Holz geschnitzt sein, um davon unbeeindruckt zu bleiben.

Die Sache ist nur: Für all das gibt es bereits Gesetze. Beleidigung ist ebenso strafbar wie jede Form der Gewaltandrohung. Wenn derlei ungeahndet bleibt, dann nicht, weil es an entsprechenden Vorschriften fehlt, sondern an Personal oder Willen, diese durchzusetzen. Das kann also nicht der Grund für die neue Initiative sein.

Das Ganze hat auch einen monetären Aspekt, den sollte man nicht außer Acht lassen. Was unter dem klangvollen Namen „Demokratiefördergesetz“ läuft, ist ein großes Subventionsverstetigungsinstrument. Renate Künast hat das in schöner Deutlichkeit gesagt, als sie im Bundestag klagte, wie leid sie es sei, dass Antifa-Gruppen jedes Jahr von Neuem Projektgelder beantragen müssten. In Zukunft soll die Finanzierung dauerhaft gelten, damit auch die Antifa Planungssicherheit hat. Das ist das Versprechen an die Basis.

Im Zuge der Flick-Affäre, dem ersten großen Spendenskandal der Republik, tauchte der Begriff der „Pflege der politischen Landschaft“ auf. So bezeichneten die Vertreter des Flick-Konzerns die Zuwendungen an Politiker, die sie als Verbündete betrachteten. Das Demokratiefördergesetz ist die grüne Form der Landschaftspflege.

182 Millionen Euro hat das von Lisa Paus geführte Familienministerium unter dem Fördertitel „Demokratie leben“ 2023 ausgeschüttet, dieses Jahr sind es, trotz Haushaltssorgen, knapp 200 Millionen Euro. Das ist eine Stange Geld. Damit kann man viele Leute, die einem nicht passen, zu Demokratiefeinden erklären.

© Michael Szyszka

Klatschen, wenn die anderen auch klatschen

Der Glaube, dass Künstler besonders sensible und weitsichtige Menschen seien, hält sich bis heute. Dabei ist es möglicherweise genau andersherum: Gerade weil sie politisch eher naiv sind, stechen sie als Regisseure und Autoren besonders hervor

 In schwachen Momenten denke ich, wir brauchen mehr Kulturbanausen in der Regierung. Nicht dauerhaft, nein. Nur so lange, bis all die Subventionskünstler, die mit dem Geld der Steuerzahler ihre politischen Projektwerkstätten betreiben, gezwungen sind, sich über den Verkauf ihrer Kunst selbst zu finanzieren.

Ich weiß, das ist kindisch. Aber manchmal kann ich nicht anders. Dann erfasst mich beim Blick ins Feuilleton ein solcher Ingrimm, dass kurz der Verstand aussetzt und ich ein Stoßgebet zum Himmel sende, der liebe Herrgott möge für einen Tag nicht Claudia Roth, sondern Alice Weidel zu unserer Kulturstaatsministerin bestimmen, auf dass alle Fördertöpfe sofort versiegen.

Am Wochenende war es wieder so weit. In der „Süddeutschen Zeitung“ las ich eine Aufarbeitung des Berlinale-Debakels. Dabei ging es auch um den israelischen Schauspieler David Cunio, der am 7. Oktober zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern von der Hamas nach Gaza verschleppt wurde.

Vor zehn Jahren war Cunio selbst ein kleiner Star auf der Berlinale gewesen. Sein Film „Youth“ gehörte zu den Beiträgen, die viel Lob bekamen. Es hätte also Grund genug gegeben, an sein Schicksal zu erinnern, zumal das Festival sich regelmäßig mit eindringlichen Appellen zu Wort meldet, wenn Filmleute in Gefangenschaft geraten. Aber in diesem Fall: kein Wort.

Cunio war nicht einfach vergessen worden. Man hatte seinen Namen bewusst gecancelt, wie die Recherche der „Süddeutschen“ ergab. Mehrere Kollegen hatten sich im Vorfeld mit Mails an die Festivalleitung gewandt. Auch an Kulturstaatsministerin Claudia Roth und den Berliner Bürgermeister Kai Wegner waren flehentliche Bitten ergangen, die Erinnerung an den entführten Schauspieler wachzuhalten. Aber die Mails blieben sämtlich unbeantwortet. „Keine Antwort, keine Erklärung, nur Schweigen“, lautete das traurige Fazit.

Stattdessen dann der Aufritt der Filmemacher, die Israel in die Nähe von Nazi-Deutschland rückten. Wer dachte, das sei ein bedauerliches Missgeschick gewesen, eine Entgleisung, wie sie halt passieren kann, der sah sich nach Lektüre der „Süddeutschen“ eines Besseren belehrt. Die Solidarisierung mit der Hamas war gewollt.

Dass Künstler besonders sensible oder weitsichtige oder kluge Menschen seien, gehörte immer schon ins Reich der Fabel. Möglicherweise verhält es sich genau andersherum: Gerade weil sie politisch besonders naiv sind, stechen sie als Schauspieler oder Schriftsteller hervor. Schon der Schulbuchautor Heinrich Böll, der die Stelle des engagierten Künstlers in Deutschland begründete, war ein eher einfältiger Mensch.

Ihn als „steindumm“ und völlig „talentfrei“ zu bezeichnen, wie das Eckhard Henscheid tat, schießt möglicherweise über das Ziel hinaus. Aber dass heute jede Links-Amsel in „brennender Sorge“ in offenen Briefen ihre Stimme erhebt beziehungsweise Haltung und Gesicht zeigt, hängt auch mit dem von Böll pionierten Petitionswesen zusammen.

Was macht den politischen Künstler? Dass er klatscht, sobald andere auch klatschen. Kaum irgendwo ist das Anlehnungsbedürfnis kurioserweise so groß wie bei den sogenannten Kulturschaffenden, die sich auf ihre Aufsässigkeit und Widerständigkeit so viel einbilden. So war es ja auch auf der Berlinale. Wenn der ganze Saal applaudiert, möchte man nicht derjenige sein, der Buh ruft. Dann könnten alle komisch gucken!

Anfang der Woche machte ein Video die Runde, in dem eine Reihe von Schauspielern, angeführt von den „Tatort“-Kommissaren Dietmar Bär und Annette Frier, ihre Abneigung gegen rechts bekundeten, indem sie sich von dem Stuhl erhoben, auf dem sie zuvor Platz genommen hatten. „Wir stehen auf“, nannten die Beteiligten die Aktion, womit der Protest endgültig zur reinen Pose geronnen war.

Die Kulturaufseher können pingelig sein, so ist es nicht. Gerade erst haben die Grünen über ihre Kulturstaatsministerin eine neue Richtlinie zur Filmförderung verankert, in der nicht nur festgelegt ist, wie hoch am Set der Altpapieranteil beim Toilettenpapier sein muss (90 Prozent). Es gibt jetzt auch Vorgaben zu Übernachtungen (die Hälfte der Buchungen nur in Hotels „mit ausgewiesenem Umweltmaßnahmen“), zum Catering (an mindestens einem Tag pro Woche muss das Essensangebot rein vegetarisch sein) und zur Materialnutzung (Einwegbatterien? Streng verboten, „sowohl am Set als auch in den Produktionsbüros“).

Das Regelwerk ist so umfangreich geraten, dass es einen eigenen „Green Consultant“ braucht, weil bei Verstoß der sofortige Entzug der Fördermittel droht. Selbstverständlich wird auch genau darauf geachtet, dass es beim Dreh divers, geschlechtergerecht und inklusiv zugeht. Entsprechendes findet sich in den Vorgaben zur „sozialen Nachhaltigkeit“. Nur der Antisemitismus ist irgendwie unter den Tisch gefallen. Aber da will man jetzt nacharbeiten, wie die Grünen versprechen.

Hat Claudia Roth etwas für Antisemitismus übrig? Das glaube ich nicht. Ich habe sie ein paarmal getroffen, als ich noch in Berlin-Charlottenburg lebte. Wir hatten dasselbe Lieblingsrestaurant, das Adnan in der Schlüterstraße. Dass sie sich in der Politik ihre Fröhlichkeit erhalten hat, das hat mich immer für sie eingenommen. Leider hat bei ihr auch eine grenzenlose Naivität überlebt. Im Prinzip möchte sie mit allen Menschen gut Freund sein. Wenn ihr der iranische Außenminister ein High Five anbietet, schlägt sie genau so begeistert ein wie beim sudanesischen Friedensaktivisten.

Ich bin sicher, Roth hatte gedacht, das Amt als Kulturstaatsministerin sei das schönste Amt der Welt. Jedes Jahr 2,3 Milliarden Euro über den Kulturbetrieb ausschütten: ein Traumjob. Dass er sich mehr und mehr zum Albtraum entwickelt, liegt daran, dass die Szene durchsetzt ist von Antisemiten und Hardcore-Palästina-Fans. Wobei: Das Wort „Antisemitismus“ können wir streichen. Israel ist nur die Chiffre für alles, was diese Leute am Westen insgesamt hassen, von der Geschichte bis zu den Werten.

Ich habe mich neulich länger mit dem Intendanten einer großen deutschen Bühne unterhalten. Ich nenne seinen Namen lieber nicht, auch nicht das Haus, an dem er arbeitet. Der Mann hat schon so Schwierigkeiten genug. Sagen wir einfach, er steht einer bekannten Spielstätte im süddeutschen Raum vor.

Ich dachte immer, Theaterarbeit sei etwa Kreatives, manchmal auch Anarchisches. Mir war nicht klar, wie eng und verstellt diese Welt ist. Jede Probe ist ein Eiertanz, weil man ständig darauf achten muss, niemandem auf die Füße zu treten. Ein unbedachtes Wort und man ist in Teufels Küche.

Ein Problem dieser vorbildlichen Kunst ist, dass man das Publikum zum Besuch nicht zwangsverpflichten kann. Aber auch dafür hat man eine Lösung gefunden. Man verlangt einfach höhere Subventionen. Was an Einnahmen beim Ticketverkauf wegfällt, wird durch höhere Staatsgelder wettgemacht.

Die Münchner Kammerspiele, einst das prestigeträchtigste Haus am Platz, haben es in der vergangenen Spielzeit fertiggebracht, die Auslastung auf unter 60 Prozent zu drücken. Bei einigen Produktionen waren nicht einmal die ersten zehn Reihen besetzt. 1,2 Millionen Euro betrug der Fehlbetrag für 2022, mit einer weiteren Million rechnete man fürs vergangene Jahr.

Dass es nicht noch schlimmer kam, war dem Singspiel „A scheene Leich“ von Gerhard Polt zu verdanken, einem Publikumserfolg, für den man sich in der Intendanz entsprechend schämte: zu wenig feministisch, zu wenig queer und überhaupt zu eingängig. Als Polt während der Proben einen indischen Pfarrer parodierte, meldete die Dramaturgie sofort Bedenken an. Wegen Rassismus.

Bringt der Auszug der Zuschauer aus den Kammerspielen die Intendantin dazu, ihr Programm zu überdenken? Selbstverständlich nicht. München ist reich, die Taschen der Stadt sind tief. Und wenn alles nichts hilft, dann kann man immer noch die Antifa-Karte spielen. Jetzt erst recht, lautet das Motto. Jetzt erst recht aufstehen gegen Rassismus und Fremdenhass.

So ist es auch bei der Berlinale. Auf die 12 Millionen Euro aus dem Kanzleramt will man auf keinen Fall verzichten. „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“, heißt es schon im „Faust“.

© Sören Kunz

Raus aus der UN!

Wenn wir Weltregierung hören, geht uns das Herz auf. Außenpolitik als runder Tisch, das entspricht unserer Vorstellung von Diplomatie. Leider sind ausgerechnet die Vereinten Nationen heute die größte Organisation zur Terrorunterstützung

 Viele fürchten sich vor einem Wahlsieg von Donald Trump. Eine gute Seite allerdings hätte es, wenn Trump noch einmal gewinnen würde: Die USA wären raus aus der UN. Bereits am Tag nach der Vereidigung würde er alle Zahlungen einstellen. Oder sagen wir: am übernächsten.

Bei der UN schimpfen sie gerne über die Vereinigten Staaten. Aber das gäbe lange Gesichter, wenn das Geld ausbliebe. Wer soll künftig für die Sause aufkommen? Der globale Süden ist groß darin, Reden gegen den Westen zu schwingen. Nur, wenn die Rechnung kommt, schauen alle betreten auf den Boden und erwarten, dass einer aus dem Westen die Zeche begleicht.

12 Milliarden Dollar überweisen die USA jedes Jahr, das sind 20 Prozent des UN-Budgets. Wenn die Überweisung ausbleibt, fallen die Canapés am United Nations Plaza deutlich kleiner aus. Oder die Chinesen springen ein. Aber die sind kniepig, habe ich mir sagen lassen. Leistungslose Zahlung im Vertrauen darauf, dass sich die Dinge in ihrem Sinne bewegen – das ist nicht so ihr Ding. Wenn sie investieren, dann lieber mit Erfolgsgarantie.

Ich weiß, viele Deutsche mögen die UN. Wir schauen mit einer gewissen Sentimentalität nach New York. Wenn wir Weltregierung hören, dann geht uns das Herz auf. Außenpolitik als Fortsetzung des Stuhlkreises, das entspricht ganz unserer Vorstellung von Diplomatie.

Leider hat die UN, wie wir sie noch aus den Zeiten von Kofi Annan kennen, mit der aktuellen UN nicht mehr viel zu tun. Blauhelmeinsatz, Unicef, Welthungerhilfe – das war gestern. Heute verfolgt die UN sehr viel weitreichendere Ziele. Zum Beispiel die Ertüchtigung der Hamas zur Regionalmacht, die endlich Israel in die Schranken weist. Man geht nicht zu weit, wenn man die UN die weltweit größte Hilfsorganisation zur Terrorfinanzierung nennt.

Es bleibt mitunter nicht bei der Finanzierung. Vor zwei Wochen machte ein Video die Runde, das einen Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerks UNRWA zeigte, wie er am 7. Oktober die Leiche eines ermordeten Israeli in seinen Pick-up lud, um sie nach Gaza zu entführen. Gut, faule Äpfel gibt es überall, lässt sich einwenden – keine Organisation ist davor gefeit, dass sich in ihren Reihen Übeltäter tummeln. Dummerweise sympathisiert ein Gutteil der in Gaza UN-Beschäftigten mit der Hamas oder unterstützt sie ganz offen.

So gesehen ist es dann auch kein Wunder, dass direkt unter dem Hauptquartier des UN-Flüchtlingswerks in Gaza einer der größten Kommandoposten der Hamas entdeckt wurde. Selbstverständlich ist man bei der UN aus allen Wolken gefallen, als man davon erfuhr. Was, unter unserem Hauptquartier liegt eine Terrorzentrale? Wer hätte das ahnen können! Es hat sich natürlich auch nie jemand bei der UN gefragt, wo all die Kabel hinführten, mit denen die Hamas im Keller ihre Server und ihre Klimaaggregate betrieb. Wer kennt das nicht, die Stromrechnung explodiert und man denkt: „Verdammt ich sollte wirklich öfter auf Stand-by-Modus umschalten.“

UN-Generalsekretär António Guterres ist das Clownsgesicht zur Krise. Ich weiß nicht, was sie dem Mann bieten, damit er immer auf dem falschen Fuß Hurra ruft. Wenn er nicht gerade Israel auffordert, die Waffen zu strecken, oder islamischen Folterknechten die Hand schüttelt, gratuliert er zur Abwechslung den Taliban in Afghanistan: Sie hätten viel für die Sicherheit im Land getan. Dass die UN die Hamas nach Auskunft ihres Nothilfe-Koordinators nicht als Terrororganisation betrachtet, sondern als politische Bewegung, fügt sich nahtlos ins Bild.

Hätten wir eine funktionierende Regierung und nicht diese dysfunktionale Familie, die sich Regierung nennt, würde sich die Frage stellen, wie lange wir die Scharade noch mitmachen wollen. Nach den USA ist Deutschland einer der größten Finanziers.

Auch im Auswärtigen Amt liest man Zeitungen, so ist es nicht. Dass wir eine Institution unterstützen, deren Mitarbeiter direkt oder indirekt der Hamas zuarbeiten, verträgt sich schlecht mit dem Credo, wonach die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson sei. Also hat die Außenministerin angekündigt, vorerst alle Gelder ans palästinensische Flüchtlingshilfswerk zu stoppen – wobei sie allerdings gleich darauf hinwies, dass dieses Jahr keine Gelder mehr zur Auszahlung anstehen. Das ist wie Stadionverbot für Fußballrowdys, wenn die Saison ohnehin beendet ist.

Aufmerksamen Lesern wird möglicherweise aufgefallen sein, dass ich mich in den vergangenen Monaten mit Kritik an Annalena Baerbock zurückgehalten habe. Wenn „Tichys Einblick“ die Ministerin als „Kerosin-Barbie“ verspottet, weiß ich, dass ich mich anderen Themen zuwenden muss. Außerdem fand ich ihre Haltung gegenüber Russland und China nicht schlecht. Diktatoren Diktatoren zu nennen, stößt bei mir nicht auf Widerspruch.

Es ist allemal besser, die Natur des Gegners klar zu sehen, als sich Illusionen hinzugeben. Wohin der sogenannte Realismus in der Außenpolitik geführt hat, haben wir in der Russlandpolitik gesehen. Am Ende waren wir so abhängig von russischem Gas, dass wir nur mit viel Glück einer Zwangsabschaltung der deutschen Industrie entgangen sind, als Putin entschied, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen.

Inzwischen habe ich jedoch den Eindruck, dass Baerbock sich verlaufen hat. Irgendwie soll Israel sich zur Wehr setzen dürfen, aber am besten so, dass Gaza keinen Schaden nimmt. Sie schwankt zwischen warmen Worten für die Versehrten des 7. Oktober und der treuherzigen Versicherung, dass nie deutsches Geld bei der Hamas gelandet sei.

Man darf sich nicht täuschen. Auch im Auswärtigen Amt gibt es einen Flügel überzeugter Israel-Feinde. Einer der Anführer war der langjährige UN-Botschafter Christoph Heusgen, der jetzt die Münchner Sicherheitskonferenz leitet. Selbstredend ist Heusgen auch ein großer Guterres-Fan.

Als Guterres in schwere See geriet, weil er in seiner ersten Rede nach dem Angriff vom 7. Oktober genau zwei Absätze brauchte, um von einer Verurteilung der Massaker zum Verständnis zu kommen, sprang ihm Heusgen bei. Er kenne Guterres seit vielen Jahren, er sei ein besonnener Mann, erklärte er im „heute journal“. Die Kritik an der Verstrickung des UNRWA nahm Heusgen zum Anlass, den Generalsekretär zu bitten, auf der Sicherheitskonferenz die Eröffnungsrede zu halten. Ich vermute, nächstes Jahr ist dann der brasilianische Präsident Lula dran, der Israel gerade mit Nazi-Deutschland verglichen hat.

Die Influencerin Marie von den Benken hat vor ein paar Tagen folgende Rechnung aufgemacht. Die reichsten Künstler: Jay-Z, 2 Milliarden Dollar; Paul McCartney, 1,5 Milliarden Dollar; Taylor Swift, 1 Milliarde Dollar – reich durch Talent. Die reichsten Hamas-Führer: Khaled Mashal, 5 Milliarden Dollar; Ismail Haniyeh, 4 Milliarden Dollar, Abu Marzouk: 3 Milliarden Dollar – reich durch gestohlene Hilfsleistungen.

Man liest derzeit viel über das Elend der Palästinenser. Aber es gibt auch die Luxusvillen, die Privatjets und die vergoldeten Betten. Hat sich in der Bundesregierung mal jemand Gedanken gemacht, wo die Hamas-Führer ihre Milliarden herhaben?

200 Millionen Euro überwies Deutschland vor dem Krieg jährlich in die beiden Palästinensergebiete, also den Gazastreifen und das Westjordanland. Dazu kommen die üppigen Hilfsgelder, die aus Berlin via EU oder UN flossen. Aber wie gesagt, im Auswärtigen Amt ist man sich sicher: kein Cent für den Terror.

Die Gewaltforschung kennt den Begriff des „Enabler“, des „Ermöglichers“. So nennt man dort Menschen, die es durch konsequentes Wegschauen Tätern erlauben, immer weiterzumachen.

© Silke Werzinger