Im Schattenreich

Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Es sei denn, Sie sind bei einer linken NGO beschäftigt. Dann dürfen Sie mit staatlicher Unterstützung sogar dafür werben, missliebigen Journalisten mal so richtig auf die Tasten zu hauen.

Ende September veranstaltete die Linkspartei im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick ein Treffen, auf dem es darum ging, wie man die Redaktion der Online-Plattform „Apollo News“ aus ihren Redaktionsräumen vertreiben könne. „Apollo News“ ist eine der journalistischen Neugründungen, die parallel zum Aufstieg der AfD entstanden sind.

Es gibt keine Verbindung zur Partei, die Redaktion finanziert sich ausschließlich aus privaten Quellen. Aber die Themenauswahl richtet sich, wie bei „Nius“ oder „Tichys Einblick“, auch an Menschen, die mit der AfD sympathisieren.

Zu der Veranstaltung, die unter dem Motto „Apollo News: die rechte Redaktion in unserem Kiez“ stand, waren 50 Zuhörer gekommen. Zum Auftakt wurden Flyer verteilt, in denen festgehalten wurde, dass Alt-Treptow ein bunter Kiez sei, in dem „braune Medien“ nichts zu suchen hätten. Dass man es nicht beim guten Zureden bewenden lassen wollte, war schon an der Wortwahl erkennbar.

„Den Rechten auf die Tasten treten“ lautete die Überschrift über dem Aufruf. An anderer Stelle war davon die Rede, dass man es den Redakteuren im Stadtteil „ungemütlich“ machen müsse. Dazu wurden die Adresse sowie ein Foto des Redaktionsgebäudes herumgereicht.

Der Bezirksvorsitzende der Linken hatte sich für den Abend Verstärkung geholt. Zu den Experten, die eingeladen waren, um gemeinsam zu überlegen, wie man einer weiteren Berichterstattung des Presseorgans „einen Riegel vorschieben könne“, zählte Kira Ayyadi, Mitarbeiterin der Berliner Amadeu Antonio Stiftung.

Wie man einem Protokoll der Sitzung entnehmen kann, rief Frau Ayyadi dazu auf, sich gegen die Redaktion zu „wehren“. Sie wiederholte die Forderung, wonach man es „Apollo News“ in Alt-Treptow ungemütlich machen müsse. Dass Pressefreiheit grundgesetzlich geschützt ist, schien der Expertin in dem Moment entfallen zu sein.

An dieser Stelle braucht es vielleicht den Hinweis, dass es sich bei der Amadeu Antonio Stiftung nicht um irgendeine Stiftung handelt, sondern um das größte Hätschelkind der deutschen Politik. Keine Nichtregierungsorganisation, wie diese Vereine im Fachjargon heißen, erhielt in den vergangenen Jahren so viel Geld wie die NGO aus Berlin-Mitte.

Allein 2023, dem letzten Jahr, zu dem es verlässliche Zahlen gibt, belief sich die Förderung auf über sechs Millionen Euro. Damit dürfte die Amadeu Antonio Stiftung als die erste Nichtregierungsorganisation gelten, deren Personaletat komplett von einer Regierung übernommen wird.

Steuergeld für eine Veranstaltung, in der zur Einschränkung der Pressefreiheit aufgerufen wird? Das ist selbst in der für ihre Parteilichkeit bekannten NGO-Szene nicht alltäglich. Wer allerdings in den rot-grünen Leitmedien nach einer Meldung suchte, musste den Eindruck gewinnen, das Treffen habe nie stattgefunden. Im Schattenreich des NGO-Staates hält man zusammen.

„Demokratie leben“ heißt das Programm, unter das auch die Amadeu Antonio Stiftung fällt. Um große Worte ist man hier nie verlegen. Und wo die Demokratie verteidigt wird, ist selbstverständlich auch kein Einsatz zu groß und keine Förderung zu großzügig. Man darf halt nur nicht so genau hinschauen – weder beim Geld noch bei den Selbsterklärungen.

Tatsächlich fürchten die Beteiligten nichts so sehr wie Nachfragen. Als die CDU nach der Bundestagswahl einen Fragenkatalog im Bundestag einbrachte, in dem sie Aufklärung über die Finanzierung verlangte, drohte die SPD mit Abbruch der Koalitionsverhandlungen. Wenn die Union die Anfrage nicht sofort zurückziehe, werde es keine Gespräche geben, erklärte SPD-Chef Lars Klingbeil. Seitdem hat man von den Fragen auch nie wieder etwas gehört.

Vor ein paar Monaten hat der PR-Berater Hasso Mansfeld mit ein paar Gleichgesinnten aus dem liberalen Umfeld einen neuen Anlauf unternommen. Initiative Transparente Demokratie heißt der Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Licht in den Förderdschungel zu bringen. Hätte er es lieber gelassen!

LobbyControl bezichtigte die Aufklärer, mit der Frage nach der Vergabe der Gelder das Geschäft „rechtspopulistischer bis extrem rechter Medien und Kanäle“ zu betreiben. Transparency International veröffentlichte eine Erklärung, indem sie den Vereinszweck in die Nähe von „Verschwörungsmythen“ rückte:

„Mit Sorge betrachten wir eine Argumentation, die geeignet ist, die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen pauschal unter Verdacht zu stellen und das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben.“ Wohlgemerkt, LobbyControl und Transparency International wurden ins Leben gerufen, um verdeckte Geldflüsse aufzuspüren. Darauf gründet bis heute ihr Ruf.

Anderseits: Was ist die Gründung einer NGO gegen den Unterhalt einer Parteistiftung? Wenn es so etwas wie einen heiligen Gral der verdeckten Politfinanzierung gibt, dann sind es die Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien. Die Summen, die hier zusammenlaufen, erreichen noch einmal eine ganz andere Dimension. 687 Millionen Euro waren es allein im vergangenen Jahr, dagegen verblasst jedes Demokratie-leben-Programm.

Die Parteistiftung ist die Mutter aller NGOs. Wer anderweitig nicht mehr unterzubringen ist, darf hier auf eine letzte Sinekure hoffen. Praktischerweise unterhalten die großen Stiftungen ein ausgedehntes Netz an Auslandsvertretungen, sodass man als verdienter Parteiarbeiter dann gegebenenfalls auch unter Palmen an der Festigung der Demokratie arbeiten kann.

Eine besondere Rolle kommt der Quersubventionierung des politischen Vorfeldes zu. Vor allem die grüne Heinrich-Böll-Stiftung sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei haben es zu wahrer Meisterschaft gebracht. Berlin ist für Alteingesessene immer noch ein vergleichsweise günstiges Pflaster. Aber so günstig, dass man mit den Honoraren der „taz“ und einem gelegentlichen Engagement beim „Deutschlandfunk“ über die Runden kommt, ist es auch nicht mehr.

Erst die Mischkalkulation aus Honoraren, sporadischen Preisgeldern und Stiftungsauftritten macht ein Überleben als linke Ich-AG möglich. So geben sich bei Podiumsdiskussionen und Seminaren immer die gleichen Leute die Klinke in die Hand. Da diskutiert dann die Feministin Teresa Bücker mit der Autorin Mithu Sanyal über „Menschenrechte und Schutzbedarf“ beziehungsweise die Feministin Sanyal mit der Autorin Bücker über Schutzbedarfe und Menschenrechte.

Das Einzige, was den Frieden stören könnte, ist die erwartete Zahlung an die AfD. Nach Lage der Dinge steht der Erasmus-Desiderius-Stiftung ein ordentlicher Geldsegen ins Haus. Die Rede ist von 18 Millionen Euro pro Jahr, dagegen kommt dann keine Demo gegen rechts mehr an. Deshalb wird um die Auszahlung auch so hart gerungen.

Die Amadeu Antonio Stiftung hat sich jetzt übrigens ebenfalls zu Wort gemeldet. Den Aufruf, rechten Medien auf die Tasten zu treten, müsse man als Metapher verstehen, die sich ganz eindeutig nicht gegen Menschen richte, heißt es in einer Erklärung – die Kritik daran sei „ein kalkulierter Angriff auf die Zivilgesellschaft“.

Selbst die Deutsche Journalisten-Union, auf die links der Mitte normalerweise immer Verlass ist, hatte von einem Angriff auf die Pressefreiheit gesprochen. Aber was soll’s? Solange man Teil des großen NGO-Reichs ist, kommt man mit allem durch, auch mit der Einschüchterung von Journalisten, die einem nicht passen.

© Michael Szyszka

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