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Die Einsamkeit der linken Frau

Viele progressiv eingestellte Frauen klagen darüber, dass sie keinen adäquaten Partner finden. Unfreiwilliges Zölibat aus politischer Frustration: ein wachsendes Problem. Dabei läge die Lösung so nahe

Dunkle Wolken am Datinghimmel. „Haben heterosexuelle Beziehungen noch eine Zukunft“, fragt der „Spiegel“, Deutschlands führendes Nachrichtenmagazin für die existenziellen Nöte und Fragen unserer Zeit.

Die Redakteurin Tessniem Kadiri hat sechs junge Frauen befragt, wie es ihnen bei der Liebesanbahnung ergeht. Unnötig zu sagen, dass alle Gesprächspartnerinnen sehr weit links stehen und das auch sofort und gerne bekennen. Die Männer, denen sie begegneten, erwiesen sich hingegen als weniger aufgeklärt, als der Erstkontakt hatte erwarten lassen.

Alle Datingpartner sagten zwar, dass sie ebenfalls links eingestellt seien, aber dann taten sich erschreckende Lücken auf. Ein Mann zeigte sich ahnungslos, was eine Schwangerschaft für eine Frau bedeute und wie sich ihr Leben dadurch ändere. Ein anderer hatte sich keine Gedanken über die Privilegien gemacht, die er als weißer Mann genieße. Ein dritter fand, dass der Hauptfeind der Kapitalismus sei und nicht der Rassismus oder Sexismus.

„Den treffe ich jetzt noch, und dann gebe ich auf“, erklärte eine der Frauen enttäuscht – so lautete auch die Überschrift des Textes. Unfreiwilliges Zölibat aus politischer Frustration: Kein Wunder, dass man beim „Spiegel“ ins Grübeln kommt, ob Datingdeutschland noch zu retten ist.

Wie unterschiedlich darf man sein? Das ist eine Frage, über die es sich nachzudenken lohnt. Die landläufige Auffassung geht dahin, dass ein harmonisches Liebesleben auch einen Gleichklang in weltanschaulichen Fragen voraussetzt.

Die „Financial Times“ hat neulich eine viel beachtete Studie veröffentlicht, wonach Männer und Frauen politisch auseinanderdriften. Die Frauen werden immer linker, die Männer immer rechter. Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, muss man sich um die Höhe der Reproduktionsrate keine Gedanken mehr machen, so die unausgesprochene Schlussfolgerung. Dann ist es mit der Familienplanung ein für alle Mal vorbei.

Das Thema Dating beschäftigt mich, seit ich mich vor Jahren bei Parship anmeldete. Meine Frau hatte mich nach 14 Jahren Ehe verlassen – für einen deutlich jüngeren Mann, wie sich herausstellte. Auch dies übrigens ein interessanter Gender-Gap: Wenn ein Mann seine Frau für eine jüngere Frau verlässt, heißt es: „Das Schwein, der hat wohl Probleme mit dem Älterwerden.“ Tritt der umgekehrte Fall ein, lautet die Reaktion: „Ach, wie schön, sie ist ihrem Herzen gefolgt.“

Ich habe kurzzeitig überlegt, eine Kolumne über meine Erfahrungen an der Datingfront zu schreiben. Einen Titel hatte ich schon: „52 Dates“– jede Woche eine neue Begegnung. Ich glaube, das Ganze wäre rasend erfolgreich gewesen, bei den Onlinern waren sie jedenfalls total begeistert. Aber ich habe dann doch zurückgezuckt. Um nicht aufzufliegen, hätte ich ein Profil komplett neu erfinden müssen, und das erschien mir etwas fragwürdig.

Parship wirbt damit, dass es einen Algorithmus entwickelt hat, der für dauerhaftes Liebesglück sorgt. Menschen zusammenzubringen, ist nicht schwer. Jeder Esel kann sich verlieben. Den Rest besorgen die Hormone. Aber dabei zu helfen, dass Menschen zusammenbleiben, wenn sich der Liebessturm gelegt hat, das ist die Kunst. Deshalb denken Partnerbörsen die Liebe vom Ende her. Sie fragen nicht, warum sich Menschen verlieben. Sie fragen sich, was sie zusammenhält.

Weil ich mehr über die Mathematik hinter dem Matchingprozess wissen wollte, habe ich eine Expertin befragt, die für Datingportale wie Parship die Anbahnung steuert. Um Konfliktpotenziale zu identifizieren, müssen die Mitglieder bei Anmeldung einen Psychotest mit 80 Fragen ausfüllen, der Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeitsstruktur zulässt. Anders als man vermuten sollte, achten die Partnerbörsen darauf, dass sich An- und Abstoßung in etwa die Waage halten. Die Partner dürfen sich auch nicht zu ähnlich sein, sonst entsteht Langeweile. Wer in allem übereinstimme, verliere schnell die Lust am Leben zu zweit.

Zwei Drittel Übereinstimmung, ein Drittel Abweichung, das ist die Zauberformel für eine glückliche Beziehung, wenn man den Matchingexperten glauben darf. Jedenfalls im Prinzip. Was den Wunsch nach Nähe angeht, sollten Paare ähnliche Ansprüche haben, da seien zu unterschiedliche Vorstellungen Gift. Beim Konfliktverhalten wiederum sei unbedingt auf Unterschiedlichkeit zu achten. Wenn beide Partner zu Starrköpfigkeit neigen, wird der Beziehung kein langes Leben beschieden sein.

Wie viel Fremdheit halten wir aus? Ich saß neulich neben einem Ehepaar, das gerade eine Art politische Beziehungskrise durchlebte. Sie bekannte an dem Abend mehr oder weniger freimütig, ab jetzt nur noch AfD wählen zu wollen. Er, ein bekannter Fernsehmoderator, saß daneben und sagte kein Wort. Offenbar war das seine Lösung für den Konflikt: über das Bekenntnis seiner Frau einfach hinwegschweigen.

Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten würde, wenn meine Frau mir eröffnen würde, dass sie ihr Herz für die AfD entdeckt hat. Dass jemand aus einem Impuls heraus sagt: Jetzt wähle ich die Weidel, das verstehe ich. Ich habe mich selbst schon dabei erwischt, wie ich dachte, wenn es so weitergeht, brauchen die in Berlin wirklich mal eine Abreibung. Aber nachdem der Zorn verraucht war, habe ich mich wieder beruhigt.

Kurioserweise wird uns ja laufend gepredigt, Fremdheit zu akzeptieren. Ein wiederkehrendes Motiv moderner Komödien ist der Zusammenprall von Kulturen. Ein Flüchtling zieht bei einer Münchner Mittelschichtsfamilie ein und konfrontiert sie mit ihren uneingestandenen Vorurteilen. Ein Behinderter und ein Schwarzer freunden sich an und werden allerbeste Freunde. Am Ende steht die Erkenntnis, wie ungemein bereichernd Andersartigkeit sein kann. Nur im Politischen wollen wir das nicht gelten lassen. Wenn es da wirklich fremd wird, nehmen auch viele gebildete Menschen Reißaus.

Ein großes Thema in den Medien ist das Unglück erfolgreicher Frauen. Gut aussehend, kultiviert, im Rücken eine makellose Karriere – aber Single: Das ist inzwischen ein eigenes Subgenre des Kulturreports. Auch die sechs Frauen, die ihre Liebesprobleme im „Spiegel“ schilderten, sind alle attraktiv und verfügen über einen prima Job.

Es ist nur eine Vermutung, aber möglicherweise tun sich Männer in Beziehungsfragen leichter, weil sie pragmatischer sind. Frauen sind, was das Alter angeht, erstaunlich realistisch. Eine Vierzigjährige käme nie auf die Idee, nach einem Zwanzigjährigen zu suchen. Nicht, weil sie es nicht könnte, sondern weil sie es in der Regel nicht wollte. Dafür sind Frauen extrem wählerisch bei der Ausbildung. Frauen wollen einen Partner, der mindestens so gebildet ist wie sie. Und gleich viel verdient. Und natürlich ihre kulturellen Interessen teilt.

Dummerweise verknappen sie damit auf dramatische Weise das zur Verfügung stehende Angebot. Schon heute überwiegt die Zahl der weiblichen Hochschulstudenten. Wenn alle Frauen mit Hochschulabschluss einen Partner suchen, der mindestens über den gleichen Bildungsabschluss verfügt, müssen viele leer ausgehen. Das ist mathematisch unausweichlich.

Ich will nicht ohne einen positiven Ausblick enden. Zu den überraschendsten Erkenntnissen der Paarforschung gehört der Befund, dass arrangierte Ehen nicht unglücklicher sind als sogenannte Liebesheiraten. Gibt es etwas, was aus westlicher Sicht empörender ist als die Vorstellung, dass es Eltern oder Verwandte in die Hand nehmen, für ihr Kind den richtigen Partner auszusuchen? Alles, was uns wichtig ist – Selbstbestimmung, Emanzipation, persönliche Freiheit – wird mit Füßen getreten.

Dennoch scheint es zu funktionieren, das ist das Verrückte daran. Die Vernunftehe erweist sich nicht nur als stabiler – sie ist, wenn man den Selbstauskünften trauen kann, auch nicht weniger erfüllend. Wenn man Menschen befragt, die in eine arrangierte Ehe eingewilligt haben, lautet die Antwort, dass die Liebe mit der Zeit gekommen sei.

Vielleicht gibt es also doch noch Hoffnung, auch für progressive Frauen. Sie legen die Partnerauswahl einfach in die Hände der Eltern. Dann klappt’s auch mit dem Liebesglück.

© Sören Kunz

„Ihr könnt Rainer zu mir sagen“

Wenn es eine Bastion gibt, in der die Linken noch unangefochten das Sagen haben, dann die Hochschule. Deshalb reagiert der Uni-Betrieb auch so allergisch, wenn jemand die Privilegien in Frage stellt

Was die beiden großen, politischen Lager unterscheidet? Zum Beispiel, dass Konservative denken, sie könnten ihre Kritiker besänftigen, indem sie ihnen entgegenkommen. Linke kämen nie auf diese Idee. Sie wissen, wenn sie einknicken, wird ihnen das als Schwäche ausgelegt. Deshalb kämpfen sie bis zum Schluss.

Die Bundesbildungsministerin hat ihre Staatssekretärin entlassen, um sich Luft zu verschaffen. Sie dachte, man würde es ihr positiv anrechnen, wenn sie ihre Mitarbeiterin unter den Bus schubst. Aber das Gegenteil ist eingetreten. Jetzt wird erst recht ihr Rücktritt verlangt. Wer hätte das gedacht?

Ich habe als Journalist eine Reihe von Affären verfolgt. Meist geht es um persönliche Verfehlungen. Ein Politiker hat etwas angenommen, was er besser abgelehnt hätte. Er hat eine Reise gemacht, für die er nicht den vollen Preis entrichtet hat, oder eine andere Vergünstigung erhalten. Nachdem die Sache ans Tageslicht gekommen ist, versucht man ihm aus der Vorteilsannahme einen Strick zu drehen. Das ist der Klassiker.

Seltener ist das Amtsvergehen, also eine Entscheidung, die als so problematisch empfunden wird, dass sie den Politiker ins Straucheln bringt. Die voreilige Entlassung des Viersternegenerals Günter Kießling durch den damaligen Verteidigungsminister Manfred Wörner war so ein Fall.

Jemand hatte über Kießling in Umlauf gebracht, er sei schwul – damit galt er als Sicherheitsrisiko, weil angeblich erpressbar. Wie sich herausstellte, stimmte nichts. Wörner konnte sich dennoch halten, weil der Kanzler an ihm festhielt. Ob Frau Stark-Watzinger, die Bildungsministerin mit der geschassten Staatssekretärin, sich wird halten können, wird noch zu sehen sein.

Die Ministerin hatte angeregt, Professoren, die ihre Solidarität mit schwer antisemitisch tätigen Studenten bekundeten, auf die Verfassungstreue überprüfen zu lassen. Ihre Staatssekretärin hatte außerdem um eine Liste der Fördergelder gebeten, die diesen Professoren gewährt wurden. Ich würde sagen, wer Straffreiheit für Studenten fordert, die die Zimmertür von Dozenten mit dem Terror-Zeichen der Hamas markieren, muss sich ein paar Fragen gefallen lassen. Aber darüber gab es nicht einmal eine Diskussion. Stattdessen wurde sofort eine Unterschriftenliste aufgesetzt – gegen die Ministerin.

Wenn es eine Bastion gibt, in der die Linken noch unangefochten das Sagen haben, dann die Hochschule. Es mag Professoren geben, die nicht links sind und das auch bekennen. Aber in der Öffentlichkeit hört und sieht man von ihnen so gut wie nichts. Eigentlich müsste man sie unter Artenschutz stellen. Aber so denken Unileitungen nicht. Das Bekenntnis zur Vielfalt gilt selbstverständlich nur, solange es zur eigenen Agenda passt.

Viel war in den vergangenen Tagen von der Wissenschaftsfreiheit die Rede, die es zu verteidigen gelte. Die Misstrauenserklärung der Ministerin sei der Versuch, diese Freiheit auszuhebeln, lautet der Vorwurf. So steht es auch in den Zeitungen, so erklären es ihre Kritiker.

Wissenschaftsfreiheit? Kommt drauf an, wen man fragt. Der akademische Mittelbau kann damit schon mal nicht gemeint sein. Niemand ist der Willkür so ausgeliefert wie Postdoktoranden, die sich von Projekt zu Projekt hangeln. Arbeitsschutz, Kündigungsschutz? Da kann man in diesem Milieu, das immerhin annähernd 200000 Menschen umfasst, nur lachen.

Als ordentlicher Professor ist man von beneidenswerter Unabhängigkeit, ähnlich dem Richter. Dem kann auch niemand mehr etwas sagen, nicht einmal, wie lange er zu arbeiten hat. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Davor liegen Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter, in denen man komplett vom Wohlwollen und der Protektion des Professors abhängt, an dessen Lehrstuhl man forscht.

Ein Fingerzeig, weil man sich zum Beispiel als politisch unzuverlässig erwiesen hat, und man steht auf der Straße. Deshalb hat sich an den Universitäten ein grauenhaftes Duckmäusertum breitgemacht. Wer den Kopf rausstreckt, riskiert seine Karriere, bevor sie richtig begonnen hat.

Ein zentrales Ziel der Linken war immer die Eroberung der Zitadellen der Erziehung. Die Ausbildung der Jugend in die Hände zu bekommen, davon träumten bereits die Achtundsechziger, jene sagenumwobene Aufbaugeneration, die ihren Aufstieg nicht von ungefähr aus dem Hörsaal begann. Außerdem galt die Wirtschaft als ein zu rauer Ort, wo einem Kapitalismuskritik nicht wirklich weiterhalf.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie die ersten Achtundsechziger als Referendare im Klassenzimmer auftauchten, und dann als Lehrer. „Ihr könnt Rainer zu mir sagen“, war der Satz, mit dem sich der neue Deutschlehrer vorstellte. Dass es mit dem lockeren Umgangston oft nicht weniger autoritär zuging, nur jetzt eben weniger offen, auch das bekamen wir bald spitz.

Noch attraktiver als die Schule war selbstverständlich die Hochschule. Was lag näher als die Universitäten des Landes zu Selbstversorgungsinstitutionen umzubauen, schließlich hatte man hier schon den Fuß in der Tür. Jetzt musste man nur dafür sorgen, dass einen niemand mehr vertrieb.

Mit der akademischen Prüfungsordnung, die vor der Berufung ins Professorenamt das Verfertigen einer Habilitationsschrift verlangte, wurde man auf pragmatischem Weg fertig. Neben die Habilitation trat die Möglichkeit „kumulativ“ zu habilitieren. Von nun an reichte auch ein Bündel verstreut publizierter Aufsätze, um als ordentlicher Professor an eine deutsche Universität berufen zu werden.

Der Effekt war unmittelbar spürbar. Die Zahl der Professoren stieg in nur sieben Jahren, zwischen 1972 und 1979, um 35 Prozent – eine Stellenexplosion, die es so nicht ein zweites Mal gab und ganze Studienzweige für die nächsten 30 Jahre gegen den Nachwuchs versiegelte.

Aus einem unerfindlichen Grund haben sich die Konservativen nie im gleichen Maße für die Bildung interessiert. Der letzte Kanzler, der das Thema ernst nahm, war Helmut Kohl. Der Mann war promovierter Historiker, im Gegensatz zu seinen Nachfolgern hatte er noch ein Gefühl für die Bedeutung der Geisteswissenschaft. Angela Merkel konnte mit Konservativen ohnehin nie etwas anfangen, mit Sprache schon gar nicht.

Wie wenig Bildung im konservativen Kanon in Wirklichkeit zählt, sieht man regelmäßig in Koalitionsverhandlungen. Bei der Verteilung der Kabinettsposten greifen Union und FDP zunächst nach dem Finanz- oder Wirtschaftsressort, das Wissenschaftsressort landet meist in den Händen eines Sozialdemokraten oder Grünen.

Ich halte das für einen kapitalen Fehler. Man sieht in den USA, wohin es führt, wenn man die Hochschulen sich selbst überlässt. Dann endet man bei einer Generation von Verirrten und Verwirrten, die die Muslimbrüderschaft für eine Wohltätigkeitsorganisation hält und Israel für einen Nazi-Staat.

Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit? Wenn es jemanden gibt, der völlig gefahrlos noch den größten Unsinn verzapfen darf, dann der deutsche Professor. Das Einzige, was einen als W2-Prof heute aus der Bahn werfen kann, ist ein Me-Too-Verfahren. Aber ansonsten? Daher hat auch nicht die Überprüfung der Verfassungstreue den Betrieb aufgescheucht, das sitzt man locker aus. Es war die Androhung, die Fördermittel zu kürzen, die die linken Akademiker auf die Zinne trieb. Bei den Subventionen hört der Spaß auf.

Manchmal sind Dinge, die wahnsinnig kompliziert erscheinen, in Wahrheit ganz einfach. Eine Unipräsidentin, der antisemitische Tweets gefallen, ist weiter im Amt. Eine Staatssekretärin, die damit aufräumen wollte, ist raus. Das ist die Lage. Dass es ausgerechnet die FDP war, die dazu die Hand reichte, ist eine traurige Erkenntnis, die weit über den Tag hinaus Wirkung entfalten wird.

Wie gesagt: Wenn es darum geht, mal einen Strauß auszufechten, sind viele Liberale zu ängstlich und zu weich. Das bekommen nur Linke hin. Deshalb sind sie ja auch da, wo sie sind.

© Michael Szyszka

Der Feminismus ist tot

Was treibt linke Studentinnen in die Anbetung eines archaischen Todeskults? Ist es die Auflehnung gegen die Eltern? Oder handelt es sich um die Epidemie einer geistigen Störung, wie der Sozialpsychologe Jonathan Haidt glaubt?

Es ist von einem neuen Virus zu berichten. Es befällt erst die moralische Urteilskraft, dann das Einfühlungsvermögen und schließlich das logische Denken. Wenn der Zerstörungsprozess beendet ist, hat sich das Hirn in Kompost verwandelt.

Seine Opfer findet der neuartige Erreger vor allem unter jungen Menschen, die politisch stark nach links tendieren. Sein bevorzugtes Verbreitungsgebiet sind Hochschulen und Kulturinstitutionen.

Man erkennt die Befallenen daran, dass sie plötzlich schwarz-weiß gemusterte Geschirrtücher um den Hals tragen. Statt Argumente auszutauschen, stellen sie sich in Gruppen auf und skandieren Texte, die an Kinderreime erinnern. Wenn sie auf jemanden treffen, der anderer Meinung ist, beginnen sie wild zu gestikulieren und zu schreien.

Im Endstadium knien selbst feministisch gesinnte Frauen im Tanktop oder Bikini auf dem Rasen und senken den Kopf in der Anbetung Allahs. Weil sie vom Islam noch weniger Ahnung haben als von der Siedlungsgeschichte Palästinas, wissen die jungen Frauen nicht, dass eine Frau beim Gebet jede Blöße zu bedecken hat, angefangen vom Kopfhaar über die Oberarme und den Oberkörper.

Minirock ist im Islam ebenfalls verpönt, ebenso wie Shorts und überhaupt jede Kleidung, die als aufreizend empfunden werden könnte. Aber das werden die jungen Novizinnen noch lernen – neben dem Umstand, dass sie künftig nur noch die zweite Geige spielen. Die Welt, die zu umarmen sie sich anschicken, duldet keine Emanzipation, erst recht keine weibliche.

Muss man sich Sorgen um die Jugend machen? Ich denke ja. Der neue Erreger wütet schließlich nicht irgendwo, sondern vorzugsweise an Ausbildungsorten, an denen die Elite des Westens herangezogen wird. Wie sieht unsere Zukunft aus, wenn die Entscheider und Entscheiderinnen von Morgen nicht mehr klar denken können?

Vieles relativiert sich mit dem Alter. Das wächst sich aus, sagte meine Mutter. Aber in dem Fall bin ich mir nicht so sicher, ob wir darauf setzen können. Gegen den Hamas-Kult ist selbst Scientology eine fröhliche Hippiesekte. Auch die Scientologen glauben an verrückte Sachen, angefangen damit, dass die Welt vor 75 Millionen Jahren von Außerirdischen bevölkert wurde, die ihren Heimatplanet wegen Überbevölkerung verlassen mussten.

Aber Scientologen schubsen keine Schwulen vom Hochhaus, sie foltern auch keine Babys oder verstümmeln zum Zeitvertreib schwangere Frauen. Lieber sein Kind an Scientology verlieren als an den Islamismus, kann man nur sagen.

Was geht da an westlichen Hochschulen vor sich? Ist es die Auflehnung gegen die Eltern, die junge, enthusiastisch gestimmte Menschen in die Arme eines archaischen Todeskults treibt? Das wäre die naheliegendste Erklärung. Aber ich fürchte, so einfach ist es nicht.

Ich kenne zufällig ziemlich genau die Welt, aus der viele Studenten stammen, die ihre Solidarität mit der palästinensischen Sache bekunden. Es ist eine Welt, in der Geld keine Rolle spielt, weil Papa an der Wall Street so viel verdient hat, dass es für drei Generationen reicht. Selbstverständlich sind Charlotte und Liam der Augenstern ihrer Eltern, weshalb diese auch ohne mit der Wimper zu zucken 70 000 Dollar auf den Tisch legen, damit der Nachwuchs an einer Elite-Universität seinen Abschluss macht.

Ich habe vergangene Woche auf Twitter gesehen, welche Kurse in Harvard Pflicht sind, wenn man englische Literatur studiert. Literatur kommt nur noch am Rande vor. Die meiste Zeit verbringt man mit dem Studium der Queertheorie, der Aufarbeitung des kolonialen Erbes und der Kritik der weißen Rasse. Wer kein Geld hat, für den ist ein solches Studium nichts. Manche Beschäftigung muss man sich im wahrsten Sinne des Wortes leisten können.

Wenn es nicht Rebellion gegen das Elternhaus ist, die Studenten in die Hamas-Begeisterung treibt, was ist es dann? Den Rang als Autor der Stunde kann der Sozialpsychologe Jonathan Haidt beanspruchen. „Generation Angst“ heißt sein aktuelles Buch, das auf der Bestsellerliste ganz vorne steht. Untertitel: „Wie eine Neuverschaltung der Kindheit eine Epidemie geistiger Störungen hervorruft“. Das Buch ist vor dem Ausbruch der Studentenproteste geschrieben, aber es liest sich wie ein Kommentar zur Lage.

Haidt vertritt seit Langem die Auffassung, dass es ungemein schädlich ist, junge Menschen von allem fernzuhalten, was sie als störend oder gar gefährlich empfinden könnten. Indem man sie in Watte packt, erzeugt man narzisstisch gestörte Wesen, die schon bei einem falschen Wort einen Schreianfall bekommen.

Viele Beobachter reagieren irritiert darauf, dass die gleichen Leute, die überall Mikroaggressionen wittern, umgekehrt keine Mühe kennen, brutal gegen Gleichaltrige vorzugehen, die sie als Feinde markiert haben. Für Toleranz werben, wie der Sieger des diesjährigen European Songcontest, und gleichzeitig eine Mitstreiterin mobben, weil sie Jüdin ist, das läuft parallel.

Aber es ist ein Missverständnis, hier einen Widerspruch zu sehen. In Wahrheit gehen Empfindlichkeit und Aggressivität Hand in Hand. Das Wesen des narzisstischen Charakters ist es ja gerade, aus Wut über echte oder vermeintliche Kränkungen wild um sich zu schlagen. Das Paradebeispiel ist Donald Trump. Niemand ist im Uni-Milieu verhasster, dabei gleichen viele ihm dort aufs Haar.

Es ist die Mischung aus Anspruchshaltung, Weinerlichkeit und Pathos, die auch die Proteste durchzieht. In einer Pressekonferenz führten die Besetzer an der Columbia-Universität lautstark Klage, dass die Mensa-Versorgung während der Besetzung von der Uni-Leitung nicht eingehalten wurde. 70 000 Euro Studiengebühr im Jahr und dann kein vernünftiges Catering – wie kann das sein?

Als ein Journalist die Studentensprecherin darauf aufmerksam machte, dass es möglicherweise ein Widerspruch sei, als Revolutionärin auf pünktliche Essenslieferung zu bestehen, antwortete sie mit sich überschlagender Stimme, ob er denn wolle, dass sie und ihre Mitstreiter an Auszehrung sterben würden. Merke: Das Leid in Gaza ist schlimm. Aber noch schlimmer ist es, wenn der Essensplan durcheinandergerät.

Ich glaube, dass auf einer tiefergehenden Ebene noch nicht wirklich verstanden wurde, wie zerstörerisch die bedingungslose Palästina-Solidarität für die linke Sache ist. Wie soll man den Feminismus noch ernst nehmen, wenn der progressivste Teil der Bewegung einer Ideologie huldigt, die alles negiert, was man sich auf die Fahne geschrieben hat? Viele werden sich des Lachens nicht mehr erwehren können, wenn das nächste Mal bei einer Podiumsdiskussion ein Vortrag über toxische Männlichkeit folgt.

Die Antwort ist bislang: schweigen. Im „Spiegel“ hat vor zwei Wochen eine neue Kolumnistin angeheuert, um die Sache der Frauen noch entschiedener voranzutreiben. Ihr erster Text? Eine Abrechnung mit dem veralteten Frauenbild in TikTok-Videos. Klar, auch das ist ein Problem. Aber lieber hätte man gewusst, was eine engagierte Feministin davon hält, wenn besonders fortschrittliche Schwestern ihre Köpfe vor der Scharia beugen.

Was reibungslos funktioniert, ist der Reflex, jeden einen Frauenfeind zu nennen, der einem quer kommt. Das ist vom alten Elan übrig geblieben. Man konnte das vergangene Woche sehr schön sehen, als der PR-Experte und Polit-Influencer Axel Wallrabenstein unter Feuer geriet, weil er einer Aktivistin widersprochen hatte, die fand, man müsse über die Scharia differenzierter urteilen.

Wallrabenstein hatte als Kommentar ein Bild gepostet, dass tiefverschleierte Frauen im Iran zeigte. „Zieh dich mal ordentlich an“, schrieb er dazu. Das reichte, um ihm den Vorwurf einzutragen, er sei ein Säufer und ein Rassist obendrein.

Folgt man Haidt, ist es gänzlich falsch, Narzissten in ihrer verschobenen Weltsicht zu bestärken. Nicht ausweichen, sondern gegenhalten, lautet seine Empfehlung. Das ist wie bei Kindern, die sich auf den Boden werfen, wenn sie im Supermarkt nicht das Spielzeug bekommen, das sie verlangen. Wenn man nicht will, dass sie sich zu Terroristen entwickeln, muss man irgendwann Grenzen ziehen. Es gibt mordsmäßig Geschrei, aber das muss man dann aushalten.

© Michael Szyszka

Wussten Sie es? Konservative sind glücklicher als Linke (mehr Sex haben sie auch)

Es hat viele Vorteile, konservativ zu sein. Konservative sind glücklicher als Linke. Sie sind optimistischer, was gut für die Gesundheit ist, und den besseren Sex haben sie auch. Kein Wunder, dass man links der Mitte so miesepetrig dreinschaut

 Die Welt der Ängste ist eine vielfältige Welt. Manche Menschen fürchten sich vor zu engen Räumen, andere vor zu großen. Es gibt Menschen, die eine Furcht vor Blumen (Antophobie), Schnee (Chionophobie) oder Wind (Anemophobie) entwickelt haben. Einige erleiden eine Angstattacke, wenn ihnen jemand die Hand entgegenstreckt.

Eine Freundin von mir kann über keine Brücke fahren. Jedes Mal, wenn sie es versucht hat, bekam sie solches Herzklopfen, dass sie sofort anhalten musste. Das macht das Leben nicht einfacher. Versuchen Sie mal einen Weg von Hamburg nach München zu finden, der garantiert brückenlos ist, das ist eine echte Herausforderung.

Bahnfahren scheidet bei ihr leider als Alternative aus, weil sie in Tunneln ebenfalls Beklemmungen bekommt. Außerdem führen auch viele Bahnstrecken über Brücken. Das Besteigen eines Flugzeugs wiederum scheitert daran, dass Flugzeuge so schnell den Bodenkontakt verlieren.

Das Thema ist mir nicht fremd, wie Sie sehen. Aber selbst ich war überrascht, als ich über eine neue Form der Phobie las, die vor allem unter jungen Menschen grassiert und die als „Speisekartenangst“ Einzug in die Liste kollektiver Zwangsvorstellungen gefunden hat. Viele Vertreter der Generation Z setzt es offenbar unter enormen Stress, wenn sie in einem Restaurant unter den angebotenen Speisen auswählen sollen.

Es ist nicht ganz klar, was die Panikreaktion auslöst. Ist es der Druck, sich entscheiden zu müssen, während jemand neben einem steht und auf eine Antwort wartet? Manche spekulieren, dass die Gen Z so sehr daran gewöhnt ist, alles im Netz zu mustern und zu bewerten, dass es die jungen Menschen total überfordert, wenn sie plötzlich eine Wahl treffen sollen, die nicht mehr revidierbar ist.

Eine weitere Vermutung lautet, dass sie mit der sozialen Situation an sich nicht zurechtkommen. Statt unbeobachtet eine Bestellung aufzugeben, sollen sie plötzlich einem Kellner von Angesicht zu Angesicht ihre bevorzugte Menüauswahl mitteilen: Wie furchtbar! Fürs Dating und spätere Familiengründungen lässt das nichts Gutes erahnen.

Das Interessante an Phobien ist, dass es einen politischen Bezug gibt. Je weiter jemand nach links tendiert, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie an Ängsten leidet. Das habe ich mir nicht ausgedacht, das lässt sich belegen.

Das Verhältnis zwischen allgemeinem Wohlbefinden und politischer Ausrichtung ist gut erforscht, und das Ergebnis ist eindeutig. Konservative sind glücklicher als Linke. Ich bin das erste Mal vor zehn Jahren in einem Artikel in der „New York Times“ auf diesen „Happiness Gap“ gestoßen. Der Autor, der Glücksforscher Arthur C. Brooks, ging darin der Frage nach, weshalb konservativ eingestellte Menschen in der Regel zufriedener mit ihrem Leben sind als Leute, die nach links tendieren.

Die naheliegende Erklärung ist, dass sich Konservative leichter tun, weil sie der Zustand der Welt nicht so bekümmert wie Linke. Das wäre die „Selig sind die Unwissenden“-These. Wer sich nicht dafür interessiert, wie es anderen geht, schreitet unbesorgter durchs Leben.

Die Forschung allerdings hat einige Löcher in diese These geschossen. Dass die Gesellschaft ungerecht eingerichtet sei, ist schließlich keine Tatsache, sondern selbst eine Annahme, die vor allem von Linken geteilt wird. Auch Konservative interessieren sich für den Zustand der Welt. Ihnen sind nur andere Dinge wichtig. Wäre ihnen alles egal, würden sie alles mit der Gelassenheit eines Buddha betrachten. Dem ist aber erkennbar nicht so.

Eine andere Erklärung stellt auf die Lebensumstände ab. Konservative Menschen neigen eher zu dauerhaften Beziehungen. Wer verheiratet ist oder in einer eheähnlichen Beziehung lebt, ist nachweislich zufriedener als Menschen, die oft wechselnde Partnerschaften haben. Ähnliches gilt übrigens für den Bezug zur Religion. Bei Umfragen geben Menschen, die an Gott glauben, fast doppelt so häufig an, dass sie mit ihrem Leben zufrieden seien, wie Befragte, denen Religion nichts bedeutet.

Die Ergebnisse der Glücksforschung mögen einige überraschen. Rechte gelten schließlich als unsicher, komplexbeladen und engstirnig, weshalb sie ja auch auf alles, was nur irgendwie anders ist, mit Abwehr und Aggression reagieren, so heißt es doch immer. Wie aber kann jemand, der autoritär, verbohrt und ängstlich ist, sehr viel positiver gestimmt sein als sein politischer Nachbar, der als liberal, offen und progressiv gilt? Das passt nicht wirklich zusammen.

Ich weiß, ich begebe mich hier auf dünnes Eis. Aber konservativ zu sein, scheint auch in anderer Hinsicht von Vorteil zu sein. Konservative sehen deutlich optimistischer in die Zukunft, was erwiesenermaßen gut für die Gesundheit ist. Und, nicht ganz unwichtig, sie haben auch mehr und besseren Sex.

Dass Sozialdemokraten am seltensten Sex haben, ist seit Längerem bekannt (1,5-mal pro Woche versus 1,8-mal bei Unionswählern und, Spitzenwert, 2,1-mal bei FDP-Anhängern). Eine von der amerikanischen Datingseite match.com in Auftrag gegebene Umfrage hat darüber hinaus ergeben, dass Rechte dabei auch mehr Freude empfinden, und zwar geschlechtsunabhängig. Während unter den Anhängern der Demokraten nur 40 Prozent angeben konnten, bei Sex regelmäßig zum Höhepunkt zu kommen, berichteten dies mehr als die Hälfte der Sympathisanten der Republikaner.

Eine Sache hat mich wirklich verblüfft: Die glücklichsten Menschen finden sich am politischen Rand. Ich hatte immer gedacht, es sei für das Wohlbefinden am besten, wenn man sich nicht zu sehr aufrege. Aber auch das lässt sich wissenschaftlich nicht halten. Der Glücksexperte Brooks verweist auf Studien aus den USA, wonach die glücklichsten Amerikaner diejenigen sind, die sich entweder als „extrem konservativ“ oder „extrem liberal“ bezeichnen. Der Anteil derjenigen, die sagen, dass sie sehr glücklich seien, liegt hier bei 48 respektive 35 Prozent. Bei Menschen, die sich zu den Moderaten zählen, kann das nur ein Viertel von sich behaupten.

Offenbar wirkt es sich positiv aus, wenn man die Umgebung klar in Freund und Feind unterteilen kann. Wer keinen Zweifel daran hat, auf der richtigen Seite zu stehen, muss sich auch nicht mit Selbstzweifeln herumschlagen. Ich persönlich finde kaum etwas grauenhafter als die Vorstellung einer Welt, in der es keine Überraschungen mehr gibt. Aber auf viele Menschen hat Übersichtlichkeit nicht nur im Privaten, sondern auch im Politischen einen heilsamen Effekt, wie man daraus schließen muss.

Bleibt die Frage, wer der Klügere ist. Linke trösten sich damit, dass sie vielleicht nicht glücklicher, aber dafür intelligenter seien. Der Kronzeuge für diese Annahme ist Satoshi Kanazawa von der London School of Economics. „Why Liberals and Atheists Are More Intelligent“ heißt ein Aufsatz, der 2010 in der Fachzeitschrift „Social Psychology Quartely“ erschien und seitdem in immer neuen Varianten recycelt wurde. Als Grundlage dienten Kanazawa Daten einer Studie, wonach junge Leute, die sich als sehr konservativ einschätzen, im Schnitt einen IQ von 95 Punkten hatten. Ihre sehr progressiven Altersgenossen kamen hingegen auf 106 Punkte.

Ein Jahr nach dem Intelligenz-Aufsatz veröffentlichte Kanazawa einen Text mit dem Titel „Why Are Black Women Less Physically Attractive Than Other Women?“, worauf ihn seine Hochschule mit einem vorübergehenden Publikationsverbot belegte. Nun ja, nobody is perfect, wie es so schön heißt.

Wenn ich die Wahl zwischen ein paar Intelligenzpunkten mehr oder Glück und besserem Sex hätte, würde ich mich für Letzteres entscheiden. Ich höre schon, wie jetzt der eine oder andere ruft: typisch konservativ. Stimmt, deshalb geht’s mir ja auch ganz gut.

© Michael Szyszka

Die Linke ist im Eimer

Selbst in Medien, die der linken Sache nahe stehen, herrscht Fassungslosigkeit, dass viele Linke jede Solidarität mit Israel vermissen lassen. Die Bewegung steht vor der Spaltung

Solange ich denken kann, konnten Linke von sich behaupten, auf der richtigen Seite zu stehen. Wenn es etwas gab, das ich schon als Kind lernte, dann, dass sie ihren Gegnern vielleicht nicht immer zahlenmäßig, aber doch in jedem Fall moralisch überlegen waren. Den Linken war es zu verdanken, dass Armut und Ausbeutung nicht weiter um sich griffen. Sie waren zur Stelle, als es darum ging, Frauen aus dem Joch des Patriarchats zu befreien. Und natürlich waren es Linke, die Fremdenfeindlichkeit und Rassismus die Stirn boten. Dass sich Deutschland nach dem Fall in den Nationalsozialismus zu einer respektablen Demokratie gemausert hatte – alles im Prinzip ihr Verdienst.

Daher rührt auch der enorme ethische Kredit, den Linke bis heute für sich beanspruchen können. Gegen Hass und Hetze, für mehr Menschlichkeit und Miteinander – das ist das Credo, auf dem ihr Ruf gründet. Das muss sogar die Gegenseite zähneknirschend einräumen, wie sich bis in die Kritik zeigt.

Niemand käme je auf die Idee, Konservative als Gutmenschen zu bezeichnen, auch nicht in herabsetzender Absicht. Wer hätte je von einem Franz Josef Strauß erwartet, dass er sich stets einwandfrei verhalte? Da ist die Erwartung an Leute, die noch nachts um drei fehlerfrei aufzählen können, warum wir alle längst nicht inklusiv genug denken, naturgemäß größer.

Und nun? Selbst in Medien, die der linken Sache eng verbunden sind, herrscht Fassungslosigkeit, dass viele Vertreter jede Solidarität vermissen lassen, wenn es um Israel geht. Alles, was man bislang mit Linken an Werten verband, gerät ins Schwimmen.

Der Mitte der Gesellschaft ist der Antisemitismus, der sich unter dem „Free Palestine“-Banner austobt, zuwider. Das ist die gute Nachricht. Aber bei den Demonstrationen zum Schutz jüdischen Lebens sind vor allem Leute anzutreffen, die in der akademischen Welt nur noch als Witzfigur vorkommen: ältere, weiße Menschen ohne erkennbaren Migrationshintergrund. So war es in Paris am Wochenende, und so war es vor vier Wochen in Berlin. „Generation 45 plus“, sagte ein Freund, der dabei war. Wo sind die anderen?

Die moralische Selbstentleibung wird für das Renommee nicht ohne Folgen bleiben. Am Zerfall der Klimabewegung kann man sehen, was der Linken bevorsteht. Eine Bewegung, die Mordbrenner zu Befreiungskämpfern erklärt und Juden zum Weltbösewicht, ist bankrott, da helfen alle anschließenden Erklärungsversuche nichts.

Der deutsche Arm von Fridays for Future versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist, indem er sich von der Anti-Israel-Fraktion distanziert. Wenn die eigene Gründerin als Ober-Antisemitin auftritt, hilft allerdings die beste Dis- tanzierung nichts. Das ist wie bei einem Kinderschutzbund, dessen Chefin sich zur Pädophilie bekennt. Da bleibt am Ende nur der Austritt.

Der 7. Oktober hat die Linke kalt erwischt. „From the River to the Sea“ ist als Slogan seit Langem Bestandteil linker Demos. Aber solange die Pali-Freunde lediglich ihre Parolen skandierten, konnte man das als Maulheldentum abtun, als vielleicht missverständlichen, aber doch nachvollziehbaren Empörungsschrei eines bedrängten Volkes. Jetzt ist der Satz die verbale Blutspur, die zu den Massakern von Aschkelon und Sderot führt. Plötzlich sieht man, welche mörderische Energie in dem Auslöschungswunsch steckt, den man als Befreiungskampf verniedlichte.

Ein Teil der Linken versucht, sich aus der Affäre zu stehlen, indem er sein Programm abspult, als hätte sich der 7. Oktober gar nicht ereignet. Keine Wortmeldung mehr zum politischen Geschehen. Stattdessen werden Bilder von Lesungen, Preisverleihungen und Berggipfeln gepostet. Das hat in seiner Selbstbezüglichkeit etwas Bizarres.

Manches gerät unfreiwillig komisch. Wenn die Autorin Sophie Passmann 14 Tage nach dem Massaker an israelischen Ravern bekennt, dass sie nach wie vor ganz viele Fragezeichen und Leerstellen habe, weshalb sie sich keine wirkliche Meinung zutraue, ist man geneigt, diesen Post zur Seite zu legen für den Tag, an dem wieder ein Rockstar über die Stränge schlägt. Aber wahrscheinlich ist das Vergehen eines Till Lindemanns einfach viel leichter zu beurteilen als das eines Hamas-Kämpfers, der sich nicht lange mit K.-o.-Tropfen aufhält, sondern gleich die Waffe zückt, bevor er zur Tat schreitet. Der Nahe Osten ist halt wahnsinnig kompliziert, das muss man im Kontext sehen.

Es gibt auch einen Teil der Szene, der unbeirrt in seinem Israelhass weitermacht. Der weiter seine Gaza-Romantik auslebt, so als handele es sich bei der Hamas um eine etwas außer Kontrolle geratene Jugendgang und nicht um einen Todeskult. Der von Widerstandsbewegung faselt und Genozid an den Palästinensern und sich überschlägt in dem Bemühen, die israelischen Soldaten zu den eigentlichen Tätern zu erklären. Aber das ist der kleinere Teil. Der größere zieht den Kopf ein.

Dass diese Szene nur auf den richtigen Moment wartet, wieder gegen ihre Gegner loszuschlagen, sah man am Wochenende, als sie ihren Antifaschismus entdeckte, um auf Leute loszugehen, die ein entschiedeneres Vorgehen gegen Judenhass fordern. Anlass bot der Ausschnitt eines Streitgesprächs zwischen den britischen Journalisten Piers Morgan und Douglas Murray, in dessen Verlauf Murray die Hamas mit der SS verglich und dann anmerkte, dass die Hamas ihre Taten im Gegensatz zu den Nazis öffentlich feiern würde.

Das war eine Überdrehung, die viele, die eben noch in der Furche lagen, sofort nutzten, um allen, die das Video geteilt hatten, Holocaust-Verharmlosung vorzuhalten. Dass sich unter denen, die des Geschichtsrevisionismus bezichtigt wurden, auch Politiker wie Karin Prien befanden, die schleswig-holsteinische Kultusministerin, die aus einer jüdischen Familie stammt: egal. Es war schon immer eine der belieb- testen Übungen linker Deutscher, Juden zu erklären, wes- halb sie aus dem Holocaust offenbar nichts gelernt haben.

In Teilen der Linken herrscht Panik, das erklärt möglicherweise die Aggressivität. Was soll ein Professor, der seinen Studenten bis gestern noch beigebracht hat, dass die Nachfahren der europäischen Sklavenhändler heute die weißen, jüdischen Siedler seien, nun sagen? Der Journalist Gideon Böss hat nicht zu Unrecht die Frage gestellt, ob man nicht die „die antisemitische Irrlehre“ der postkolonialen Theorie an den Universitäten verbieten müsse, so wie man ja auch die Lehre der Nürnberger Rassengesetze irgend- wann nicht mehr akzeptieren wollte.

Oder stellen Sie sich vor, Sie hätten als Genderforscherin ihre ganze Karriere auf der Exegese der Schriften von Judith Butler aufgebaut, einer Frau, für die der 7. Oktober nur eine Salve in einem größeren Kampf ist und die Hamas eine soziale Bewegung. Die Karriere sieht plötzlich sehr viel weniger glänzend aus.

Es geht auch um viel Geld. In Berlin hat der neue Kultursenator gerade einem Kulturzentrum die Gelder gestrichen, das regelmäßig Antisemiten ein Podium bietet. Die Bundeszentrale für politische Bildung zieht sich von einer Konferenz zurück, in der wieder einmal der Holocaust kontextualisiert werden soll, wie das so schön heißt. Komplettes Unverständnis in der Szene. Das sei Zensur, hieß es in der „taz“.

Man ist inzwischen so daran gewöhnt, für jeden Unsinn den Steuerzahler anzupumpen, dass es bereits als Zensur gilt, wenn die öffentliche Hand nicht mit Subventionen zur Stelle ist, um jede linke Amsel querzufinanzieren, die den Terror dekonstruieren will. Die Veranstaltung in Berlin darf selbstredend weiter stattfinden, nur eben ohne staatliches Sponsoring.

Gibt es auch Linke, deren moralischer Kompass intakt ist? Aber ja gibt es die, und es sind zum Glück nicht wenige. Am klarsten haben sich die Grünen an die Seite der Juden in Deutschland gestellt. In keiner Partei ist gleichzeitig der Zuspruch zur Unterstützung Israels so groß.

Viel wird jetzt davon abhängen, wie ernst es den Grünen mit dem Engagement ist. Keine Partei war bislang auch so großzügig bei der Alimentierung der postkolonialen und postmigrantischen Szene, die Israel für den letzten real existierenden Apartheidsstaat hält. Ganze Existenzen gründen auf den Zuwendungen der Böll-Stiftung und der angrenzenden Netzwerke. Wenn die Grünen darangehen sollten, den Geldhahn zuzudrehen, dann stehen viele antisemitische Ich-AGs vor dem Aus.

© Sören Kunz