In Spanien gehen sie gegen sexistisches Spielzeug vor. In Deutschland soll Rosa als Mädchenfarbe verschwinden, um Unterschiede zwischen Jungs und Mädchen einzuebnen. Was ist stärker: Fortschritt oder Natur?
Meine Tochter hat mit mir eine Beobachtung aus der Spielwelt geteilt. Ihr ist aufgefallen, dass Mädchen bei den von ihr bevorzugten Fernsehserien deutlich unterrepräsentiert sind. Bei „Paw Patrol“, einer Serie, in der kleine Hunde als Lebensretter auftreten, sind von den acht Hauptcharakteren nur zwei weiblich.
Bei „Feuerwehrmann Sam“ ist das Geschlechterverhältnis etwas ausgeglichener. Es gibt neben den vier Feuerwehrmännern auch zwei Feuerwehrfrauen. Alle wichtigen Funktionen haben allerdings Männer inne. Meine Tochter ist vier Jahre alt, das ist ihr sofort aufgefallen. Ich denke, sie erwartet von mir, dass ich den Missstand behebe. In dem Alter ist das Vertrauen in den Vater noch groß.
Viele Eltern machen sich Gedanken darüber, wie man Kinder so erzieht, dass sich niemand benachteiligt fühlt. Erziehungswissenschaftler empfehlen die genderneutrale Erziehung, also eine, die so tut, als gäbe es keine Unterschiede.
Ich bin im Prinzip dafür. Wäre ich Verleger, würde ich mich um Kinderbücher kümmern. Es ist erstaunlich, wie rückschrittlich es da oft noch zugeht. Frauen sind in der Regel Krankenschwester oder Mutter oder Meerjungfrau. Wenn es spannend oder gefährlich wird, müssen die Kerle ran. Ich persönlich glaube stark an Vorbilder. Angela Merkel hat mehr für die Gleichberechtigung getan als alle Genderprogramme zusammen.
Das Problem scheint mir wie bei vielen progressiven Vorhaben zu sein, dass die Biologie einem schnell einen Strich durch die Rechnung macht. Meine Tochter spielt am liebsten die Spiele, die auch ihr zwei Jahre älterer Bruder spielt. Sie liebt Autos, Klettern, Fußball – in der Reihenfolge.
Manchmal mache ich mir deswegen Sorgen. Es kommt nicht selten vor, dass sie im Gesicht einen Kratzer hat, der erst nach Tagen abgeheilt ist. Sie bekümmert das nicht weiter. Aber ich weiß ja, wie die Welt da draußen ist. Bis auch bei Mädchen Narben als cool gelten, muss noch einiges geschehen.
In der Kita sticht sie klar heraus. Ihre Freundinnen lieben Disney-Figuren wie Elsa und Anna. Auch Barbie steht nach wie vor hoch im Kurs, allen pädagogischen Einreden zum Trotz. Meine Tochter versucht, sich anzupassen. Sie tut so, als ob sie sich auch für Puppen interessieren würde. Der Nachmittag endet damit, dass eine Puppe mit dem Kopf voraus an die Wand fliegt, damit anschließend jemand zur Hilfe eilen kann. Aus jeder Barbie-Stunde wird bei ihr ein Noteinsatz.
Verfolgen die anderen Eltern einen anderen Erziehungsansatz als wir? Ich glaube nicht. Die meisten Mädchen sind einfach von Natur aus, wie soll ich sagen: mädchenhafter.
Wir sind normalerweise furchtbar stolz auf Unterschiede. Überall steht, man solle mehr Diversität fördern. Aber der Hinweis auf einen Unterschied zwischen Mann und Frau gilt in fortschrittlichen Kreisen als tabu. Ich glaube, viele Menschen fürchten, dass man der Gleichberechtigung schadet, wenn man einräumt, dass Männer in mancher Hinsicht anders denken als Frauen.
Ich bin bei der Recherche auf einen feministischen Blog gestoßen, in dem eindringlich vor der Hörspielserie „Die drei ??? Kids“ gewarnt wird. „‚Die drei ??? Kids‘ sind weder für Kinder noch für Jugendliche geeignet“, heißt es darin. „Sie verstärken männliche Machtfantasien über Frauen und ihren Körper und produzieren patriarchale Denkstrukturen.“ Es sei deshalb die Aufgabe von Eltern und der Politik, Kinder vor derartigem Material zu beschützen und ihnen Werte für ein Miteinander auf Augenhöhe zu vermitteln.
Ich vermute, der Autor, ein Diplom-Pädagoge aus Braunschweig, hat selbst keinen Nachwuchs. Sonst wüsste er, dass man den Medienkonsum von Kindern spätestens in dem Moment, in dem sie Umgang mit anderen Kindern haben, nur noch bedingt kontrollieren kann. Das ist wie mit Schimpfworten. Man wünscht sich als Eltern, die Kleinen wüssten nicht, was das A-Wort ist. Und dann schleudern sie es einem im Wutanfall entgegen.
In Spanien gehen sie jetzt gegen stereotypisierendes Spielzeug vor. Die spanische Gleichstellungsbeauftragte hat zusammen mit ihrem Kollegen vom Verbraucherschutzministerium eine entsprechende Initiative gestartet. Das Spielzeug von heute präge die Generation von morgen, heißt es zur Begründung. Sexistisches Verhalten, das den Machismo fördere, müsse ausgemerzt werden.
Eine Demonstration, zu der die Regierung aufgerufen hatte, verlief allerdings eher enttäuschend, wie ich einem Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ entnommen habe. „Spielen hat kein Geschlecht“, sollten die Kinder einem lila gekleideten Clown zurufen. Das Ganze endete wie einer dieser freudlosen Kindergeburtstage, bei dem nicht mal der Clown lustig ist.
Eine andere Diskussion betrifft die Farbe Rosa. Es gibt eine Organisation, die sich „Pinkstinks“ nennt und das Ziel verfolgt, Rosa als Mädchenfarbe aus der Kinderwelt zu verbannen. Ich bewundere Menschen, die sich an Herkulesaufgaben heranwagen. Ein kurzer Gang durch die Babyabteilung bei Karstadt und man ahnt, vor welchen Herausforderungen die Anti-Rosa-Kampagne steht.
In der Sache selbst ruht das Argument ohnehin auf dünnen Beinen. Überraschenderweise war Rosa historisch die Farbe von Jungen, während Mädchen Hellblau trugen. Rosa galt bis weit ins vorige Jahrhundert als entschlossenere und kräftigere Farbe, Hellblau hingegen als delikat und anmutig.
So groß kann also die Farbwahl als prägende Kraft bei Babys nicht sein, sonst hätte das 19. Jahrhundert das Zeitalter der starken Frauen sein müssen. Auch Crossdressing ist übrigens nicht so revolutionär, wie uns das heute erscheinen mag. Die Strumpfhose war jahrhundertelang das Kleidungsstück der Männer. Das hat sie nicht davon abgehalten, sich zu duellieren und überhaupt viel Unsinn anzustellen.
Meine Frau hat mir vorige Woche ein Erziehungsbuch geschenkt. Der Autor, der Kinderarzt Herbert Renz-Polster, betrachtet Erziehung aus Sicht des Evolutionsbiologen. Wenn man ein Baby aus der Steinzeit ins Heute versetzen würde, hätte es keine Probleme zurechtzukommen, wie ich bei der Lektüre gelernt habe. Der Mensch hat sich über die vergangenen 400000 Jahre genetisch relativ wenig verändert. Im Gegensatz zu Tierarten bewältigen wir den Anpassungsdruck durch Kulturtechniken. Wenn es kalt wird, müssen wir uns kein zusätzliches Fell wachsen lassen, sondern errichten uns ein Dach über dem Kopf.
Ich mustere jetzt manchmal meine Tochter auf Anzeichen des Paläolithikums. Wenn sie ein Buch nimmt, um es ihrem Bruder über den Kopf zu ziehen, erkenne ich mühelos das Steinzeitkind. Viele Verhaltensweisen lassen sich aus der Evolutionsgeschichte erklären. Dass Kinder nicht gerne allein schlafen ist ebenso in der evolutionären Vergangenheit begründet wie die Skepsis gegenüber Gemüse. Wer früher wahllos grüne Blätter in den Mund gesteckt hätte, wäre nicht über die ersten Lebensmonate hinausgekommen.
Die gute Nachricht ist, man kann als Eltern weniger falsch machen, als man oft denkt. Was als genetisches Programm 400000 Jahre überdauert hat, das überlebt jede elterliche Anweisung. Das gilt leider auch für geschlechtsspezifische Verhaltensweisen.
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