Wie viele Geschlechter gibt es? Sind es drei, fünf oder sogar 60? In jedem Fall haben Mann und Frau als Kategorien ausgedient. Wer heute noch an die Biologie glaubt, ist ein Hinterweltler, Düber den man nur den Kopf schütteln kann
Die Kinderbuchautorin Joanne K. Rowling hat sich zu Fragen der Biologie geäußert. Rowling ist Mutter dreier Kinder, außerdem die Erfinderin der Harry-Potter-Welt. Dass sie drei Kinder großgezogen hat, erwähne ich, weil niemand, der Kinder hat, an den Grundfragen des Lebens vorbeikommt, wie erfolgreich er oder sie auch sein mag. Rowling hat geschrieben, dass sie nach wie vor davon ausgehe, dass es Männer und Frauen gebe und dass für sie das biologische Geschlecht nichts Erfundenes sei, sondern real.
Ich wurde darauf aufmerksam, weil sich augenblicklich ein Sturm der Entrüstung erhob. Wer wie die britische Autorin behaupte, dass es nur zwei Geschlechter gebe, werte Transmenschen ab, hieß es. Ihre Äußerung sei diskriminierend und perfide. Es folgte der Aufruf zum Boykott ihrer Bücher.
Frau Rowling wird den Aufruf, ihre Bücher zu meiden, verschmerzen können. Ich finde den Fall bemerkenswert, weil er zeigt, wie selbstverständlich in einem Teil der akademischen Linken die Vorstellung geworden ist, die Unterscheidung in Mann und Frau sei eine rückständige, um nicht zu sagen repressive Idee, die kein aufgeklärter Mensch mehr vertreten könne.
Die Frage, ob es mehr als Mann und Frau gibt, beschäftigt die akademische Öffentlichkeit schon seit Längerem. Der Theorie zufolge, die Einzug in die Seminarräume gehalten hat, ist Geschlecht nichts, was man vorfindet, so wie Gene oder Hormone, sondern Definitionssache und damit eine Frage der gesellschaftlichen Übereinkunft. Wie viele Geschlechter es gibt – ob es drei sind, fünf oder wie bei Facebook 60 –, das ist Teil der akademischen Debatte. Aber dass die sogenannte binäre Ordnung der Vergangenheit angehöre, darüber besteht Einigkeit.
Man darf sich nicht täuschen: Nur weil etwas absonderlich wirkt, heißt das nicht, dass es nicht Wirkung entfalten kann. Tatsächlich hat kaum eine Disziplin eine solche Karriere hingelegt wie die Gender-Wissenschaften, wobei man von Wissenschaften im engeren Sinne eigentlich nicht sprechen kann. Keine der vorgetragenen Thesen hält einer Überprüfung durch die Biologie oder die Neurowissenschaften stand.
Im Grunde funktionieren die „Gender Studies“ wie Homöopathie. Es existiert eine Reihe von Hypothesen und Annahmen, die nicht durch das Prinzip von Bestätigung oder Falsifikation, sondern allein durch Wiederholung Wahrheitskraft erlangen. Dennoch gibt es inzwischen in Deutschland über 150 Lehrstühle.
Wie bei allen Theorien, die lange genug im Umlauf sind, verselbstständigt sich die Sache irgendwann. Aus Lübeck erreicht uns zum Jahreswechsel die Nachricht, dass die Stadtverwaltung einen Leitfaden zur „gendersensiblen Sprache“ verfasst hat, damit sich alle Bürger angesprochen fühlen, auch jene, „die sich nicht als Frau oder Mann beschreiben“. Bevor Mitarbeiter der Stadt in näheren Kontakt mit einem Lübecker treten, sollen sie zuerst ermitteln, welches Geschlecht der oder diejenige bevorzugt. Die Empfehlung zur Ansprache lautet: „Guten Tag Name Vorname, wie darf ich Sie in Zukunft ansprechen?“
Selbst in bayerischen Gemeinden wird inzwischen überlegt, ob man in Grundschulen nicht Toiletten für das dritte Geschlecht einführen sollte, also für Kinder, die angeblich nicht genau sagen können, ob sie nun Jungen oder Mädchen sind oder das nicht sagen wollen.
Wenn ich im Gemeinderat von Taufkirchen säße, würde ich mir die Frage stellen, ob es ein einziges Kind gibt, das durch den Toilettengang dokumentieren will, dass es grundsätzlich anders ist als alle anderen. Der sicherste Weg, zum Mobbing-Opfer zu werden, besteht doch darin, sich als Außenseiter zu outen. Aber solche Überlegungen spielen keine Rolle, wenn es darum geht, sich als aufgeschlossen und aufgeklärt zu beweisen. Vermutlich kämen die Gemeindemitglieder arg ins Schwimmen, wenn sie sagen sollten, was genau sie unter dem drittem Geschlecht verstehen. Sind Intersexuelle gemeint, also Menschen, die beide Geschlechtsmerkmale besitzen und deshalb wirklich nicht sagen können, ob sie Mädchen oder Junge beziehungsweise Frau oder Mann sind? Die Zahl ist allerdings sehr gering. Der Prozentsatz von Kindern, die als Zwitter geboren werden, liegt deutlich unter 0,1 Prozent.
Oder sind vielmehr Transsexuelle das Ziel der Baumaßnahme? Dann allerdings wäre die Investition in gesonderte Toiletten für die Katz. Der Transsexuelle besteht ja gerade darauf, ein Mann oder eine Frau zu sein, nur unglücklicherweise im falschen Körper beheimatet. Dass die Krankenkasse die Kosten für eine Geschlechtsumwandlung übernimmt, lässt sich nur damit begründen, dass Geschlecht eben keine Frage der Definition, sondern eine der Hormone ist. Wäre es anders, könnte man sich die Kosten für die Behandlung sparen. Dann müsste man dem Transsexuellen lediglich sagen, dass die binäre Ordnung ohnehin passé sei.
Je ausführlicher man sich mit der Materie beschäftigt, desto verwirrender wird es. In Kanada ist eine Gender-Aktivistin vor Gericht gezogen, weil sich die Mitarbeiterinnen mehrerer Schönheitsstudios geweigert hatten, ihr die Hoden zu wachsen. Die Aktivistin machte geltend, die Weigerung stelle eine Diskriminierung als Frau dar. Der Komiker Ricky Gervais hat die Geschichte zum Teil seines Stand-up-Programms gemacht, womit er sich augenblicklich den Vorwurf der Minderheitenfeindlichkeit einhandelte.
Manchmal lohnt es sich, ein wenig Abstand zu gewinnen. Ich bin seit zwei Wochen in Kenia und Tansania unterwegs. Ich kann natürlich nicht genau einschätzen, wie viele Menschen hier der Meinung sind, dass eine Romanautorin verdammt gehört, weil sie nach wie vor an die Biologie glaubt. Meine Vermutung wäre: Es sind weniger als 0,1 Prozent. Die meisten Menschen, die in Afrika leben, wissen noch nicht mal, was ein Gender-Stern ist. Würde man ihnen sagen, dass sich Frau und Mann als Geschlechter überholt haben, würden sie nur den Kopf über den verrückten Weißen schütteln.
In Wahrheit lassen sich die Zentren der neuen Geschlechtertheorie auf einer Weltkarte relativ gut eingrenzen. Es sind die amerikanischen Hochschulen an den beiden Küsten der USA sowie die europäischen Universitätsstädte, wobei Deutschland als Verbreitungsgebiet besonders hervorsticht. Was zu einer interessanten Frage führt: Wenn die Gender-Theorie den Anspruch erhebt, für alle Menschen zu gelten, muss man dann nicht unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass die Bewohner Afrikas besonders rückständig sind?
Vielleicht sollten die Vertreter der „Gender Studies“ mal mit den Kollegen von den „Kolonialismusstudien“ reden. Eine Tür weiter könnte man ihnen sagen, warum die Zeiten, als man im Westen glaubte, dem Rest der Welt überlegen zu sein, eigentlich vorbei sind.
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