Monat: November 2025

Unsere Taliban – die erstaunliche Dreistigkeit der Grünen

Erst die Kühltürme der AKW, dann die Stelzen des Transrapid: Alles, was an diese technologische Hochkultur erinnert, wird beseitigt. Nie wieder soll sich ein Kind fragen, was es mit der untergegangenen Zivilisationauf sich gehabt haben mag

Der langjährige Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner war die Tage bei Phoenix zu Gast, es ging um die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China. Kellner war mal Büroleiter von Claudia Roth, das stählt einen fürs Leben. Außerdem hat er es unter der Ampel zum Staatssekretär im Wirtschaftsministerium gebracht, wo er zusammen mit seinem Schwager Patrick Graichen den großen Wärmepumpenplan für Deutschland ausheckte.

Er sei manchmal fassungslos, wie wenig die Wirtschaft aus der Vergangenheit gelernt habe, hob Kellner an und schüttelte den Kopf. Jeder Student im ersten Semester wisse doch, dass es keine gute Idee sei, sich einseitig abhängig zu machen. Oha, dachte ich. Und das sagt ausgerechnet ein Vertreter der Partei, die lieber die Wirtschaft außer Landes schickt, als darüber nachzudenken, was sie zum Überleben bräuchte?

Eigentlich wollte ich nicht mehr über die Grünen schreiben. Das sei meine vorerst letzte Kolumne, habe ich vor sieben Wochen anlässlich des Amtsantritts von Annalena Baerbock bei den Vereinten Nationen gelobt. Aber die Dreistigkeit, mit der ehemalige Spitzengrüne so tun, als hätten sie mit der Malaise hierzulande nichts zu tun, lässt mir keine Ruhe.

Was richtig ist: Wir könnten relativ unabhängig sein, wenn wir wollten. Wir haben so viel Erdgas im heimischen Boden, dass wir für die nächsten 40 Jahre den Russen oder Amerikanern eine Nase drehen könnten. Wir müssten uns nur dazu entschließen, das Gas aus der Erde zu holen. Das ist technisch nicht einmal besonders anspruchsvoll. Ein Teil liegt so dicht an der Oberfläche, dass man einfach den Bohrer ansetzen müsste.

Aber erstens wollen wir ja kein Gas mehr. Gas gilt wie Atomkraft und Kohle als Energieform von gestern. Wer das wie die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche anders sieht, wird von den Grünen und ihren journalistischen Vorfeldformaten als „Gas-Kathi“ verspottet. Und zweitens würde die Förderung ja bedeuten, dass man sich an Mutter Erde vergreift. Und die ist, das wissen wir, in grünen Kreisen heilig.

Deshalb ist auch das Kapitel der knappen Rohstoffe erledigt, bevor es richtig begonnen hat. Die Neptune Energy meldet einen der größten Funde weltweit: 43 Millionen Tonnen Lithiumcarbonat in der Altmark. Das ist wie ein Sechser im Lotto. Lithium ist unter anderem zur Herstellung von Batterien unerlässlich. Wie abhängig die deutsche Industrie auch hier von China ist, zeigt sich dieser Tage im Automobilsektor.

Aber der Bundesumweltminister hat schon sorgenvoll mit dem Kopf gewackelt. Eine Förderung sei selbstverständlich nur im Einklang mit den hohen deutschen und europäischen Umweltstandards möglich. Man ahnt, wie es weitergeht. Drei streng blickende Kröten, die nach EU-Artenschutzrichtlinie persönliche Anwälte bekommen, wie der Zeitgeist-Kritiker Alexander Eichholtz den Fortgang der Dinge beschrieb. 1867 Klagen, weil Nachbarn den Schattenwurf der Bauzäune als Gesundheitsgefahr melden. Und ein in der Zwischenzeit gewachsener und nach Bundeswaldgesetz besonders schützenswerter Urwald, wo vorher ein Schotterparkplatz war. 2051 wird das Projekt dann unter dem Beifall von BUND, Greenpeace und der Amadeu Antonio Stiftung endgültig beerdigt.

Viele halten den Grünen ihre Blauäugigkeit in der Migrationspolitik vor. Andere beklagen die Versessenheit, mit der sie Fortschrittsprojekte wie das Selbstbestimmungsgesetz betreiben. Aber die gesellschaftlich nachhaltigste Hinterlassenschaft ist ihre tief sitzende Technikfeindlichkeit.

Selbst der Antrieb mittels Magnetkraft galt zwischenzeitlich als Teufelswerk, weshalb die Züge in Fernost heute mit 400 Stundenkilometern zwischen den Städten verkehren, während wir uns zur Schneckenbahn zurückentwickeln. Die Deutsche Bahn hat Mitte Oktober ihre neue ICE-Klasse vorgestellt. Reisende sind im ICE L künftig nur noch mit 230 km/h unterwegs. Dafür gibt es einen barrierefreien Einstieg und ein familienfreundliches Innendesign, wie der Bahn-Vorstand stolz mitteilte.

Wie kompliziert das Verhältnis des Durchschnittsgrünen zur Moderne ist, zeigt sein Verhältnis zum Strom. Einerseits ist der Saft, der aus der Dose kommt, das Maß aller Dinge. Solange es elektrisch zugeht, kann er sich sogar mit dem Auto anfreunden. Die Klimaanlage wiederum hat sich bis heute nicht von ihrem schlechten Ruf erholen können, dabei ist sie noch nie anders als mit Strom gelaufen.

Zu Beginn jeden Sommers gibt es in den klimasensiblen Magazinen lange Abhandlungen, wie man der Todeshitze am besten entgegentritt. Neben dem Expertenrat zur sachgemäßen Verdunkelung der Wohnung finden sich Ratschläge zur korrekten Platzierung nasser Handtücher auf dem Ventilator zwecks optimaler Kühlwirkung. Aber ausgerechnet die wirksamste Kühlungsform, die Klimaanlage, ist so gut wie nie im Angebot, so als sei die Anschaffung eine exotische und auch etwas anrüchige Idee.

Die Energiepolitik der letzten Jahre lässt sich auf einen Satz bringen: Wir haben eine CO2-neutrale Energieform durch eine andere ersetzt. Der Wechsel war nicht nur affenartig teuer, ohne dass es einen nennenswerten Effekt auf die Klimabilanz gehabt hätte. Windkraft ist im Gegensatz zu Kernkraft leider auch noch notorisch unzuverlässig, sodass ständig aus dem Ausland Atomstrom nachgekauft werden muss.

Jeder weiß, dass Deutschland ohne Kernenergie weder 2040 klimaneutral sein wird noch 2045, jedenfalls nicht unter der Maßgabe, dass es weiter so etwas wie eine Industrie gibt. Weil das insgeheim auch die Grünen wissen, werden vollendete Tatsachen geschaffen. Also sprengt man einen Kühlturm nach dem anderen, damit ja niemand auf die Idee kommt, den einmal beschlossenen Ausstieg wieder infrage zu stellen. Auch so lässt sich Politik gegen jüngere Generationen machen: Man schneidet ihnen einfach den Rückweg ab.

Am vergangenen Wochenende waren die Kühltürme des Kernkraftwerks in Gundremmingen dran. Der „Welt“-Redakteur Axel Bojanowski hat die Zerstörung mit der Sprengung der
Buddha-Statuen in Bamiyan durch die Taliban verglichen. Der Vergleich ist nicht so absurd, wie mancher denken mag. Hier wie dort geht es darum, Zeugnisse einer Zivilisation zu beseitigen, bei der man allein die ferne Erinnerung als gefährlich betrachtet. Nie wieder soll sich ein Kind angesichts der Relikte fragen, was es mit der untergegangenen Hochkultur auf sich gehabt haben mag.

Auch das muss man an dieser Stelle vielleicht noch einmal ins Gedächtnis rufen: Wäre Deutschland bei der Kernenergie geblieben, statt auf Wind und Sonne zu setzen, hätte es nicht nur 600 Milliarden Euro gespart, sondern würde mehr CO2-freien Strom produzieren, als mit den sogenannten erneuerbaren Energien bislang möglich ist. Sogar eine komplett CO2-freie Stromversorgung wäre möglich gewesen, wie eine kürzlich im Fachblatt „International Journal of Sustainable Energy“ veröffentlichte Studie nachweist.

Als Nächstes sind die Gasleitungen fällig. In Mannheim wurden die Kunden bereits in Kenntnis gesetzt, dass ab 2035 Schluss ist, andere Kommunen werden folgen. Und auch die Teststrecke für den Transrapid soll in Kürze für viele Millionen Euro abgerissen werden. Am Ende bleibt von der Zeit, als Deutschland für klimafreundliche Hochtechnologie stand, nur noch Ackerkrume. Dafür geht es barrierefrei zu.

»Deutschland ist voll«

Wir wissen, wie man im rot-grünen Lager über das Stadtbild denkt (alles in Ordnung). Aber wie denken Menschen, von denen es auf den Demonstrationen heißt, sie müssten vor Friedrich Merz geschützt werden?

Nach der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen führte eine Redakteurin von „Stern TV“ eine Straßenumfrage unter Migranten zu ihrer politischen Haltung durch. Einer der Interviewten war ein junger Mann, der aus dem offenen Wagenfenster seines Mercedes bereitwillig Auskunft gab, Erscheinung und Akzent ließen auf einen türkischen Migrationshintergrund schließen. Es entspann sich folgender Dialog:

„Wen hast du gewählt?“

„AfD.“

„AfD?“

„Kanaken raus.“

„Aber mal ehrlich, hast du die AfD gewählt?“

„Natürlich.“

„Warum?“

„Warum nicht?“

„Und was gefällt dir an dem Wahlprogramm der AfD?“

„Kanaken raus.“

„Na, das meinst du ja nicht ehrlich. Du hast doch selbst Migrationshintergrund.“

„Ich bin hier geboren und aufgewachsen.“

„Und deine Eltern. Willst du, dass die rausmüssen?“

„Nee, die sind auch deutsche Staatsbürger. Ich meinte jetzt nur die Leute, die komplett Scheiße bauen.“

„Und findest du, es ist ein Widerspruch, dass du Migrationshintergrund hast und die AfD gewählt hast?“

„Nein. Hat jeder seine eigene Meinung.“

Einem ähnlichen Austausch konnten einige Monate zuvor bereits Zuschauer des WDR-Magazins „Westpol“ beiwohnen, die Szene fand ebenfalls über soziale Medien schnell Verbreitung. In dem Fall trat ein Redakteur des WDR auf zwei Männer an einer Dönerbude zu, um sie in ein Gespräch über die Spaltung der Gesellschaft zu verwickeln.

Früher sei mehr Zusammenhalt gewesen, eröffnete der Redakteur das Interview. Das Ruhrgebiet sei doch mal so weltoffen gewesen – Deutsche, Italiener, Türken: alle eine große Familie. Ob sie nicht auch der Meinung seien, dass die Dinge in die falsche Richtung liefen. „Ja, richtig“, stimmte einer der beiden Männer, die sich als Türken zu erkennen gaben, umgehend zu.

Kurze Pause. „Jetzt sind keine Deutschen mehr hier. Jetzt hast du nur Ausländer.“ Betrübter Blick. „Ist leider so“, pflichtete der andere Mann, traurig mit dem Kopf nickend, bei. „Ich bin Türke. Ich lebe seit 1974 hier in Deutschland. Muss ich ehrlich sagen: Schluss! Die Grenzen, die müssen zubleiben. Ist zu voll! Deutschland ist voll. Jetzt allgemein. Sie müssen zumachen, die Grenzen.“ Man konnte förmlich sehen, wie dem braven WDR-Mann beinah das Mikrofon aus der Hand fiel.

Wir wissen, wie man im rot-grünen Lager über das Stadtbild denkt (alles in Ordnung). Wir wissen auch, wie die Mehrheit der Deutschen die von Friedrich Merz angestoßene Diskussion sieht (Merz hat recht). Aber wie denken Menschen, von denen es auf den Demonstrationen heißt, sie müssten vor dem Kanzler geschützt werden?

Glaubt man den führenden Medienorganen, dann herrscht in der migrantischen Szene Beklemmung und Bestürzung. Uns werden Stimmen wie der Lungenfacharzt Cihan Celik präsentiert, der sich sorgt, was man jetzt wohl über ihn denkt, wenn er den Arztkittel abgelegt hat. Es wird von Polizisten und Krankenschwestern berichtet, die nicht mehr wissen, ob sie noch mitgemeint sind, wenn von Deutschland die Rede ist. Wir kennen diese Stimmen.
Wir vernehmen sie regelmäßig, wenn es um Fragen der Einwanderung geht. Aber wie repräsentativ sind sie?

Nehmen nur Deutsche ohne Migrationshintergrund eine Veränderung des Stadtbildes wahr? Bedauern nur diese Deutschen, dass Weihnachtsmärkte inzwischen besser gesichert sind als die russische Botschaft? Stören nur sie sich daran, wenn immer mehr Messerverbotszonen ausgewiesen werden, um die Zahl der Angriffe in den Griff zu bekommen? Lesen nur sie die Kriminalitätsstatistik, wonach der Anteil von Ausländern an schweren Straftaten überdurchschnittlich steigt?

In der Öffentlichkeit dominiert der Typus des Migranten, der bereits die Frage nach der Herkunft für eine Entgleisung hält und jeden Hinweis auf ein problematisches Verhalten unter Flüchtlingen als Angriff auf sich selbst. Für den Vertreter dieser Welt ist Deutschland nicht Heimat, sondern Albtraum, wie der Titel eines bekannten Buches lautet, eine im Kern rassistische Gesellschaft, die jeden, der als anders gelesen wird, wie das dort heißt, ausgrenzt und abwertet. Die Stadtbild-Debatte gilt als Beweis, dass alles noch viel schlimmer ist, als man angenommen hat.

Es spricht einiges dafür, dass man insbesondere in der türkisch-deutschen Community sehr viel differenzierter auf die Lage in deutschen Städten schaut, als die Berichterstattung vermuten lässt. Auch Türken lesen Zeitung. Auch Türken wissen, dass die Pali-Freunde, die auf den Straßen „Yallah Yallah Intifada“ krakeelen, nur deshalb so viel Zeit zum Rabatz haben, weil die Hälfte von Bürgergeld lebt. Auch sie sehen die Tunichtgute, die unter fadenscheinigsten Gründen Asyl beantragen und dann nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen, als sich dickezutun.

Umgekehrt schauen diese Leute auf die Demonstrationen, die in ihrem Namen stattfinden, und wissen, dass sie nichts, aber auch gar nichts mit den höheren Töchtern verbindet, die ihren Protest vor der CDU-Zentrale ausleben. Nur in Deutschland bringen es die besseren Stände fertig, für Vielfalt zu demonstrieren und dabei so einheitlich auszusehen, dass man meinen könnte, sie demonstrierten für eine Gesellschaft weiß wie ein Bettlaken.

Es war immer ein Missverständnis, Migranten umstandslos den Linken zuzuordnen. Bei der ersten Generation von Einwanderern mag es noch eine sentimentale Hinwendung zur Sozialdemokratie gegeben haben. Aber davon ist nicht mehr viel übrig. Wer Geschlechtertrennung und Kopftuch bevorzugt, dem sind rot-grüne Herzensanliegen wie der Kampf für mehr Transrechte und die Zerschlagung aller patriarchalen Strukturen eher schnuppe.

In Wahrheit hat sich in der migrantischen Welt ein Milieu erhalten, das allem Hohn spricht, was man auf linken Parteitagen als Errungenschaft feiert. Der Muskeltorso, den man in endlosen Stunden im Gym geformt hat, korrespondiert dabei mit der Sportwagen-Silhouette, die man praktischerweise gleich auf dem Gehweg parkt. Wenn von toxischem Verhalten die Rede ist, ob in Verbindung mit Männlichkeit oder der Bewegung im Stadtbild, wird das eher als Kompliment denn als Vorwurf verstanden.

Keine Ahnung, an wen die SPD denkt, wenn sie jetzt das Catcalling unter Strafe stellen will, wie Hinterherpfeifen heute heißt. Den Bauarbeiter jedenfalls, der die Lippen spitzt, wenn er eine hübsche Frau sieht, gibt es so nur noch im Film. Nach Lage der Dinge werden es eher junge, muslimisch gelesene Männer sein, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, und nur in Ausnahmen Torben und Malte aus dem Kiezcafé.

Vielleicht liegt die wahre Herablassung darin, zu meinen, dass man besser als jeder Deutschtürke weiß, wie man sich als Zuwanderer fühlt. Zu glauben, man kenne alle Migranten, weil man zufällig über den Text eines Arztes gestolpert ist, der das schreibt, was man selber denkt: Das ist jedenfalls sehr viel rassistischer als die Frage, woher jemand stammt.