Warum wir uns nach Meinung der Innenministerin nicht so sehr vorm Islamismus fürchten müssen? Weil der Islamismus anders als der Rechtsextremismus nicht das System stürzen wolle. Mon Dieu!
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang rät beim Thema Hass von Muslimen auf Juden zur Gelassenheit. Er vermute, dass sich der offene muslimische Antisemitismus wieder beruhige, wenn auch der Konflikt in Gaza abflaue. So sagte er es auf einem Symposium zur Sicherheitslage in Deutschland. Der rechtsextreme Antisemitismus hingegen bleibe eine deutsche Konstante.
Ich lade Herrn Haldenwang gerne zu einem Besuch an der Sinai Grundschule in München ein. Weshalb tragen die Sicherheitskräfte dort neuerdings Kevlar-Westen? Weil sie Angst vor einer neuen Gewaltwelle von rechts haben? Nein. Es sind nicht die Rechten, gegen die man aufrüstet. Es sind die muslimischen Wirrköpfe, die man fürchtet, junge Leute mit Pali-Schal und Hamas-Gesinnung, die meinen, sie müssten ein Zeichen setzen, indem sie eine jüdische Schule attackieren.
Es glaubt an der Schule übrigens auch niemand, dass sich die Lage bald wieder bessert. Man muss ja nur nach Hamburg schauen, wo sich die Freunde des Kalifats so sicher fühlen, dass sie für die Ausgrenzung aller Ungläubigen, angefangen bei den Juden, den Feministinnen und den Schwulen, offen demonstrieren.
Deshalb die schusssichere Weste.
So ein Ding wiegt mehr als 12 Kilo. Das trägt man nicht zum Spaß.
Der Verfassungsschutzpräsident kann auch gerne einmal mit den Eltern sprechen, deren Kinder in München jeden Tag unter Polizeischutz zur Schule gehen. Oder den Mitgliedern der Israelitischen Kultusgemeinde, die Trägerin der Schule ist. Er wird Mühe haben, jemanden zu finden, der meint, dass die größte Bedrohung von rechts komme.
Nun gut, kann man sagen: Wer ist schon Thomas Haldenwang? Nachdem man mit Hans-Georg Maaßen zu weit in die eine Richtung abgebogen ist, geht es nun mit Karacho in die andere. Maaßen befand sich schon als Verfassungsschutzchef in Daueropposition zur Bundesregierung – sein Nachfolger macht dafür den Fiffi, der alles nachplappert, was ihm die Politik vorsagt.
Wenn sie in der Regierung davon reden, dass die wahre
Gefahr von den Reichsbürgern drohe, sagt er, die größte
Gefahr seien die Reichsbürger. Wenn sie erklären, dass man darüber nachdenken müsse, die Verhöhnung des Staates unter Strafe zu stellen, nickt er und sagt: Ja, das finde er auch, Delegitimierung des Staates sei etwas ganz Schlimmes, das gehöre geahndet.
Man hat es ahnen können: Die Bundesinnenministerin ist ebenfalls der Auffassung, dass die wahre Gefahr rechts steht. Vor ein paar Wochen wurde sie gefragt, warum sie den Rechtsextremismus für bedrohlicher halte als Islamismus oder Linksextremismus. Ihre Antwort: Der Islamismus
wolle schließlich nicht das System stürzen, das sei das Wesen des Rechtsextremismus. Was soll man dazu sagen? Vermutlich hält sie Scharia auch für ein neues Pop-Sternchen und Kalifat für einen ausgefallenen Nachtisch.
Es gibt nicht wenige, die in Nancy Faeser ein eigenes Sicherheitsrisiko sehen. So weit würde ich nicht gehen. Ich glaube, sie ist einfach nicht die Hellste. Das ist in der jetzigen Lage ebenfalls keine besonders tröstliche Auskunft, gebe ich zu. Wie es aussieht, gibt es dummerweise auch in ihrer Entourage niemanden, der sagt: „Halt, so geht’s nicht, das können wir so nicht stehen lassen.”
Warum fällt es uns so schwer, die Feinde unserer Demokratie zu erkennen? Es sind ja nicht nur der Verfassungsschutzpräsident und die Bundesinnenministerin, die glauben, dass der verrückte Reichsbürger-Prinz hundertmal gefährlicher ist als jeder Islamisten-Anführer. An den Universitäten, an denen die Elite von morgen ausgebildet wird, hält inzwischen
ein nicht unerheblicher Teil die Ausbreitung des Islam für die Lösung aller Probleme.
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” war vor kurzem ein aufschlussreiches Interview mit dem -Orientalisten Gilles Kepel zu lesen. Kepel gilt als einer der führenden Experten zum Nahen Osten, er hat zahlreiche Bücher zum politischen Islam und dem Aufstieg des Dschihadismus veröffentlicht.
Sein Blick ist düster. Während der 11. September dem Westen vor Augen geführt habe, dass er es mit einem Feind zu tun hat, der alles verachtet, wofür der Westen steht, habe der 7. Oktober den Westen gespalten. Den Vertretern des sogenannten globalen Südens sei es gelungen, an den westlichen Universitäten eine starke Anhängerschaft zu entwickeln. Das sei eine sehr beunruhigende Entwicklung.
Ich weiß nicht, ob Sie die Bilder vom Campus der Columbia-Universität in New York gesehen haben? Seit einer Woche kampieren dort Studenten, um in ekstatischen Gesängen ihre Liebe zur Sache der Hamas zu bekunden.
Das Wuhan der Hamas-Liebe sind die amerikanischen
Ivy-League-Unis. Aber wie das so ist mit Seuchen, sie bleiben nicht auf einen Ort begrenzt. Auch an der Science Po in Paris oder der Berliner Humboldt-Uni tragen sie stolz die Zeichen des islamischen Märtyrerkults, der dem Westen den Krieg erklärt hat. Der Norden steht auf der falschen, der Süden auf der gerechten Seite, das ist die Quintessenz der Proteste. Humpty-Dumpty-Huntington nennt das Kepel in Anspielung auf Samuel Huntingtons berühmtes Buch „Kampf der Kulturen“: Huntington auf den Kopf gestellt.
Margot Käßmann hat viel Spott dafür ertragen müssen, dass sie zu Gesprächskreisen mit den Taliban aufrief. Aber ein bisschen Käßmann steckt selbst in hochrangigen Regierungsmitgliedern. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Außenministerin davon spricht, alle im Nahen Osten wollten doch Frieden. Nein, die Hamas will keinen Frieden, die Hisbollah und die Huthis wollen es auch nicht, und die iranischen Revolutionsgarden schon gar nicht.
Woher kommt diese Naivität? Ein theologisch beschlagener Mensch würde antworten: Das ist eben eine Folge der durchgreifenden Säkularisierung. Wir haben keine Vorstellung mehr vom Bösen. Mit der Metaphysik haben wir nicht nur Gott, sondern auch den Teufel abgeschafft. Leider hat das Böse es noch nicht mitbekommen, dass es abgeschafft ist. Deshalb sind wir jedes Mal ganz von den Socken, wenn es uns wider Erwarten in die Quere kommt.
Auch die 68er haben viel Unsinn geredet. Sie haben Pol Pot hochleben lassen und die Verbrechen des Stalinismus relativiert. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass sie davon geträumt hätten, aus Berlin Kambodscha zu machen und aus Paris ein sibirisches Umerziehungslager.
Ich bin kein zynisch veranlagter Mensch. Aber wenn ich die Bilder junger, privilegierter Mittelschichtskinder sehe, die sich in „Free Palestine“-Gesängen die Lunge aus dem Leib brüllen, kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass eine Woche beim IS den Palästina-Fans vielleicht ganz guttäte. Dann könnten sie die Probe aufs Exempel machen, wie weit sie mit ihrer Mission für mehr Trans- und Frauenrechte bei den muslimischen Glaubensbrüdern kommen.
Nazis sind eine Gefahr, keine Frage, die Reichsbürger auch. Aber es gibt sehr viel weniger Reichsbürger, als es Islamisten gibt. Wenn die Umzüge in Hamburg etwas gezeigt haben, dann wie selbstbewusst diese Leute in-
zwischen auftreten. Diese Demonstrationen sind Macht-demonstrationen. Die Antwort des Staates: Geschwafel.
Und es bleibt ja nicht bei Umzügen. Bei einer Umfrage in Niedersachsen haben 68 Prozent der 15-jährigen Schüler muslimischen Glaubens geantwortet, dass ihnen die Regeln des Koran wichtiger seien als die deutschen Gesetze. Knapp die Hälfte stimmte der Aussage zu, dass ein islamischer Gottesstaat die beste Staatsform sei. Das sind keine ermutigenden Zahlen.
Wenn wir nicht aufpassen, haben wir so lange nach rechts gestarrt, dass wir verpasst haben, dass die Feinde auch von ganz woanders herkommen können. 182 Millionen Euro gibt die Regierung im Jahr zur Stärkung der Demokratie aus. Redakteure der „Bild” haben jetzt mal nachgeschaut, wo das Geld bleibt. Das Ergebnis: Wir geben mehr für den Kampf gegen Islamophobie aus als gegen Islamismus. Vielleicht könnten wir damit anfangen, das Verhältnis umzudrehen.
© Silke Werzinger