Viele halten Annalena Baerbock und Robert Habeck für die grüne Partei. Aber daneben gibt es einen harten ideologischen Kern, wie die Nominierung der Aktivistin Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten zeigt
Es gibt Milieus, die sind für einen Reporter einfach zu erkunden, und es gibt solche, für die braucht es Geduld und Nervenstärke. Ein einfaches Milieu ist das der Politik. Meist reicht ein Anruf und man hat einen Termin. Wenn das Ergebnis anschließend nicht so ausfällt wie erwartet, droht der Politiker für die Zukunft vielleicht mit Kontaktverweigerung. Selbst die hält er dann oft nicht lange durch.
Ein definitiv schwieriges, um nicht zu sagen hermetisches Milieu sind arabische Großfamilien. Clanleute sind äußerst misstrauisch, das bringen schon die Geschäfte mit sich, mit denen sie ihr Geld verdienen. Sie sind auch nicht sehr nachsichtig, was schlechte Presse angeht. Wer sich als Reporter aufmacht, das Leben in der Clanwelt zu beschreiben, sollte beizeiten eine ordentliche Lebensversicherung abschließen.
Ich hatte immer einen Heidenrespekt vor meinem Kollegen bei „Spiegel TV“, Thomas Heise. Ich kenne kaum einen furchtloseren Reporter. Heise hat Rocker und Drogenbarone interviewt. Seine Reportage über die Macht der Clans ist die beste Dokumentation aus dem Innenleben der kriminellen Großfamilien, die ich kenne. Ich weiß nicht, wie er es macht, aber bei ihm bekommt man Dinge zu sehen, über die anderswo nur aus zweiter oder dritter Hand berichtet wird.
Vor eineinhalb Jahren bekamen Heise und sein Team für ihre Berichterstattung einen Preis. Allerdings nicht die Art von Auszeichnung, an die Sie jetzt möglicherweise denken, sondern eine Abmahnung. Die „Neuen deutschen Medienmacher*innen“, ein Verein zur Förderung migrantischer Anliegen, verlieh ihm die „Goldene Kartoffel“, ein Negativpreis für „besonders unterirdische Berichterstattung“.
Die „Spiegel TV“-Beiträge über Clankriminalität seien „stigmatisierend und rassistisch“ und förderten so Vorbehalte gegen Menschen arabischer Herkunft, hieß es zur Begründung. Außerdem seien Aussagen von Polizisten unkritisch übernommen und die Fahnder zu distanzlos begleitet worden. Was man eben für einen Tabubruch hält, wenn bereits die Erwähnung einer Shishabar im falschen Zusammenhang als Beleg für die Vorurteilsstruktur des deutschen Journalismus gilt.
Die Sache ist deshalb wieder von Bedeutung, weil die Bundesregierung die langjährige Vorsitzende der „Neuen deutschen Medienmacher*innen“, Ferda Ataman, zur Beauftragten für Antidiskriminierung machen will. Oder um genau zu sein: zur „Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung“. Das ist keine kleine Sache. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beschäftigt 34 Mitarbeiter und verfügt über einen Jahresetat von 5,1 Millionen Euro. Damit kann man viele Gefolgsleute glücklich machen.
Die Grünen liegen in den Umfragen bei 23 Prozent. Viele Menschen sehen Robert Habeck und Annalena Baerbock und sagen sich: vernünftige Leute. Ich selbst hörte mich neulich bei einem Auftritt auf einem Wirtschaftskongress in Erfurt sagen, dass der Wirtschaftsminister doch einen klasse Job mache. Be careful what you wish for. Hinter dem Robert und der Annalena stehen viele Parteimitglieder, die Vorstellungen vom Umbau dieser Gesellschaft haben, die sich mit denen der Mehrheit nur bedingt decken.
Tatsächlich hat die grüne Partei nach wie vor einen harten ideologischen Kern. Sie ist im Augenblick so schlau, ihn nicht zu deutlich zu zeigen. Nur manchmal kommt er zum Vorschein, so wie jetzt bei der Nominierung von Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten. Der Personalvorschlag ist eine Idee der neuen grünen Familienministerin, die damit so etwas wie ihren Einstand gibt.
Ich kenne Ferda Ataman vom „Spiegel“. Wir waren zeitweise Kolumnistenkollegen, bis ihr die Chefredaktion die Kolumne wieder wegnahm, weil einfach zu viel Quatsch drinstand. Sie hätte rasend gerne weitergemacht, aber es ging einfach nicht mehr. Ich habe überlegt, ob ich überhaupt über sie schreiben soll. Andererseits: Wenn ich jeden aus meinen Texten raushalte, den ich kenne, kann ich den Laden dichtmachen.
Ataman ist der Beweis, dass man mit dem schlechten Gewissen anderer Leute weit kommen kann. Sie hat inzwischen sogar eine Firma gegründet, die Unternehmen dabei berät, wie man „Diversity managt“, wie das auf Neudeutsch heißt. „Diversity Kartell“ nennt sich das Unternehmen. Ausweislich der Webseite hat sie schon Nivea, RTL, die Stadt Köln und den Bayerischen Rundfunk beraten.
Ich bewunderte jeden, der eine Idee hat und darauf ein Geschäft aufbaut. Meine Bewunderung wäre allerdings noch größer, wenn man nicht ständig auf Staatsgelder zurückgreifen würde. Die „Welt am Sonntag“ hat vor zwei Jahren mal zusammengezählt, was an Bundesmitteln an die „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ geflossen ist, und ist dabei für 2020 auf über eine Million Euro allein aus dem Etat des Kanzleramts gekommen.
Auch das Innenministerium war als Geldgeber dabei, also das Ministerium, dessen damaligem Chef Horst Seehofer die Vereinsvorsitzende Blut-und-Boden-Ideologie vorgeworfen hatte, weil er nach ihrem Geschmack zu viel Freude am Begriff Heimat zeigte, ein Vorwurf, der wiederum Seehofer veranlasste, einem Integrationsgipfel fernzubleiben, bei dem er auf Ataman treffen sollte.
Ich kenne Seehofer noch länger als Ataman. Der Mann ist wirklich nicht mit dem kleinen Finger gemacht. Wenn er seine Teilnahme bei einer Veranstaltung absagt, dann, weil für ihn ausnahmsweise eine Grenze überschritten wurde. Aber hey, warum so empfindlich, heißt es, wenn einer eingeschnappt ist. War doch nicht so gemeint, so wie es selbstverständlich, zwinker, zwinker, auch nicht beleidigend gemeint ist, wenn man Deutsche als Kartoffeln bezeichnet.
Vor einigen Tagen hat Ataman alle Spuren auf Twitter gelöscht. Offenbar war sie selber der Meinung, dass ihr altes Leben in so einem eklatanten Widerspruch zur neuen Aufgabe steht, dass sie dieses besser vor der Öffentlichkeit verbergen sollte. Wer heute auf ihren Account geht, sieht dort nur noch harmlose Einträge wie Glückwünsche zur Nominierung.
Unter den Tweets, die nicht mehr angezeigt werden, befindet sich die Einschätzung, dass die deutsche Gesellschaft im Innern so verdorben sei, dass Ärzte zu Ungunsten von Migranten selektieren würden. Wörtlich schrieb Ataman zu Beginn der Pandemie: „Ich habe irgendwie eine Ahnung, welche Bevölkerungsgruppen in Krankenhäusern zuerst behandelt werden, wenn die Beatmungsgeräte knapp werden.“
Das ist kein Ausrutscher, wie man denken könnte. Es ist Ausdruck einer Weltsicht, die auch die Grundlage des zugehörigen Geschäftsmodells bildet. Die deutsche Gesellschaft ist demnach so sehr von Diskriminierung durchzogen, dass dem Problem mit normalen Mitteln nicht mehr beizukommen ist. Es braucht positive Diskriminierung, also Quoten und staatliche Gegenmaßnahmen, um am Ende eines mühsamen Prozesses bei einer wirklich gleichberechtigten Gesellschaft herauszukommen.
Selbstverständlich zählt auch nicht jeder Migrationshintergrund, um zum Kreis der zu Fördernden gerechnet zu werden, sondern nur die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die als „rassistisch markiert“ gilt, wie das heißt – womit schon mal alle raus wären, die eine polnische oder dänische oder französische Großmutter haben.
Damit wir uns nicht missverstehen, ich bin nicht gegen Aktivismus. Jeder kämpft für seine Anliegen, so gut er kann: die Freunde des geschlechtsneutralen Oben-ohne-Badens im deutschen Freibad ebenso wie die Befürworter der Gendersprache oder eben die Vertreter der migrantischen Sache. Ich habe nur Zweifel, ob jemand, der jeden Vertreter der Mehrheitsgesellschaft für rassismusgefährdet hält, die richtige Person an der Spitze einer aus Bundesmitteln finanzierten Beratungsstelle ist.
Es käme ja auch niemand auf die Idee, jemanden wie mich zum unabhängigen Bevollmächtigten für gesellschaftlichen Ausgleich und Verständigung zu machen. Und wenn, sagen wir, der Justizminister mit dieser Idee um die Ecke käme, würden sich alle zu Recht die Bäuche halten vor Lachen.
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