Still in Dubai

Der Iran ermordet einen deutschen Geschäftsmann, die Außenministerin kündigt „schwerwiegende Konsequenzen“ an. Und dann? Dann schließt sie ein paar Generalkonsulate. Mehr muss man über die deutsche Außenpolitik nicht wissen

Annalena Baerbock sieht blendend aus, um mal mit dem Positiven zu beginnen. Wenn sie die Gangway herab schreitet, sitzt jedes Haar. Neulich war sie im Nahen Osten unterwegs. Auf dem Pressefoto: die Ministerin mit schwarzer Sonnenbrille, schwarzem Hosenanzug und schwarzen Pomps umringt von vier Bodyguards. Atemberaubend. Ich dachte im ersten Moment, es würde sich um ein Szenenbild aus „Mission Impossible 5“ handeln. Aber nein, es war unsere Außenministerin im Einsatz für den Weltfrieden.

Normalerweise schickt es sich nicht, das Aussehen von Politikern zu kommentieren. Aber in dem Fall ist man dazu ja geradezu verpflichtet. 136000 Euro gibt Annalena Baerbock im Jahr für die Visagistin aus. Verschwendung von Steuergeldern ist ein großes Thema. Insofern ist man als kritischer Beobachter doch froh, wenn man sagen kann, dass das Geld gut angelegt ist.

Was die Außenpolitik angeht, sieht es leider nicht so rosig aus. Am vorletzten Montag hat das iranische Regime den deutschen Unternehmer Jamshid Sharmahd hinrichten lassen. Sharmahd unterhielt eine Webseite für Exiliraner, auf der er für die Rückkehr zur Monarchie warb. Das reichte für einen Platz auf der Todesliste. Während einer Geschäftsreise nach Dubai ließen ihn die Mullahs entführen, um ihn vor einem Revolutionsgericht in Teheran wegen „Korruption auf Erden“ abzuurteilen.

Kidnapping plus Geiselhaft plus Folter plus Mord: Das ist eine ziemlich lange Liste an Vergehen, selbst für einen Schurkenstaat wie den Iran. Dass man mal eben einen ausländischen Staatsangehörigen entführt, um ihn nach einem Schauprozess hinzurichten, kommt nicht mal im notorisch bedenkenlosen Nordkorea vor. Auch da kennt man politische Geiselnahme als diplomatisches Mittel, aber man bringt die Geiseln anschließend nicht einfach um die Ecke.

Der Kanzler sprach von einem „Skandal“ und verurteilte „aufs Schärfste“. Die Außenministerin verurteilte scharf und kündigte „schwerwiegende Konsequenzen“ an.

Wie die schwerwiegenden Konsequenzen dann aussahen? Der iranische Botschafter wurde ins Auswärtige Amt einbestellt, wo ihm mitgeteilt wurde, wie empört man sei. Und die Generalkonsulate in Hamburg, Frankfurt und München müssen schließen. Das Personal der Botschaft darf selbstverständlich unbehelligt im Land bleiben – man will schließlich die „stille Diplomatie“, an der Deutschland so viel liegt, nicht gefährden.

So sind wir: Immer bemüht, den richtigen Ton zu treffen, damit sich ja niemand vor den Kopf geschlagen fühlt.

Nicht einmal die bekannten Diktatorenanschmuser Viktor Orbán und Gerhard Schröder würden vermutlich bestreiten, dass eine Welt ohne Mullahs eine bessere Welt wäre. Hinter nahezu jeder Terrorgruppe, die dem Westen den Krieg erklärt, steckt der Iran. Führt das dazu, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um dem iranischen Regime das Überleben so schwer wie möglich zu machen? Selbstverständlich nicht. Wir schaffen es ja noch nicht einmal, die iranischen Revolutionsgarden als terroristische Organisation einzustufen.

Einem Artikel in der „Welt“ habe ich entnommen, dass wir im Zweifel sogar dabei behilflich sind, iranische Moralvorstellungen nach Deutschland zu exportieren. Vor dem Islamischen Zentrum in Hamburg, einem Außenposten des Mullahregimes, demonstrierte ein Trupp Exiliraner. Einige der Demonstranten verbrannten dabei einige Koranseiten.

In Deutschland läuft so etwas unter Religionskritik. Die Zeiten, als die Obrigkeit die Entweihung religiöser Symbole als Provokation empfand, sind lange vorbei. So sah es auch die Polizei, die herbeigerufen wurde, um die Personalien der Demonstranten aufzunehmen.

Aber dann beschwerte sich das iranische Generalkonsulat in Hamburg und verlangte eine „Verurteilung dieses kriminellen und höchst provokativen Aktes“. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen „gemeinschaftlicher Beschimpfung von Glaubensbekenntnissen“. Man will ja schließlich die Mullahs nicht gegen sich aufbringen!

Obacht also liebe Leute, wenn ihr das nächste Mal ein Kreuz zertrümmert oder eine Christusstatue entweiht: Die Strafe folgt auf dem Fuße. Kleiner Scherz. Die Empfindlichkeit gilt selbstverständlich nur bei Symbolen fremder Mächte. Die eigene Religion darf man trashen, so viel man will. Da kann man sogar den Papst mit vollgepinkelter Soutane zeigen, ohne dass von Staats wegen ein Hahn danach kräht. Neueste Variante übrigens im Fall Sharmahd: Der Verurteilte sei gar nicht hingerichtet worden, sondern kurz zuvor einfach verstorben, erklärte jetzt ein Justizsprecher der Behörde in Teheran.

Die deutsche Außenpolitik krankte schon immer am Missverhältnis zwischen Anspruch und Möglichkeiten. Seit Wochen ist Annalena Baerbock im Nahen Osten unterwegs, um eine Eskalation zu verhindern, wie das in der Sprache der „stillen Diplomatie“ heißt. Die beiden anderen Begriffe, die in dem Zusammenhang unweigerlich fallen, sind „Gewaltspirale“ und „Flächenbrand“.

Die Shuttlediplomatie ist natürlich ein Witz. Die Einzigen, die im Nahen Osten etwas zu sagen haben, sind die Amerikaner. Wenn die USA morgen ein Waffenembargo beschließen, kommt eine Woche später kein Kampfjet mehr vom Boden. Wenn die Deutschen damit drohen, keine Waffen mehr zu liefern, fehlen ein paar Helme. Das macht die Appelle der Ministerin unfreiwillig komisch.

Die Region, wo wir etwas ausrichten könnten, wäre die Ukraine. Aber da ziehen wir es vor, uns vornehm zurückzuhalten.

Ich habe dieser Tage ein bemerkenswertes Interview mit dem Osteuropaexperten Jan Claas Behrends gehört. Er könne ja nachvollziehen, dass die Bundesregierung der Ukraine keine Taurus in die Hand geben wolle, sagte er darin. Aber weshalb sie nicht einmal den Versuch mache, von den Russen eine Gegenleistung zu verlangen, sei ihm unbegreiflich. Man könnte ja zum Beispiel fordern, dass sie aufhören Krankenhäuser, Kindergärten und Kraftwerke zu beschießen. Der einzige, der ständig rote Linien aufstellt, die wir dann auch noch peinlich genau beachten, ist Putin. Auch so verliert man einen Krieg.

Wir hätten die Möglichkeit, den Krieg zu wenden. Noch ein Jahr, so sagen es die Militärs, und der Mann im Kreml bekomme ernsthafte Schwierigkeiten, weil ihm die Soldaten ausgingen. 1000 Tote am Tag, das hält auf Dauer nicht einmal Russland durch. Aber so weit möchte man es wiederum bei der SPD nicht kommen lassen. Tatsächlich ist die Unterstützung für die Ukraine so kalibriert, dass uns niemand vorwerfen kann, wir würden das Land schutzlos dem Feind überlassen. Aber wir liefern eben auch nie so viel, dass es sich wirklich verteidigen kann.

Die Einzigen, mit denen wir uns anlegen, sind Donald Trump und seine Leute. Da gibt auch der brave deutsche Diplomat seine Zurückhaltung auf und zeigt mal, was in ihm steckt. Dass wir nichts sind ohne den Raketenschutz aus Washington? Egal. Kamala Harris heißt unsere Heldin. So steuern wir auch außenpolitisch ohne Kompass und Segel dahin, getrieben allein von der Hoffnung, dass am Ende schon die Richtigen gewinnen.

Zum Schluss doch noch eine gute Nachricht. Wir finanzieren Solarmodule auf marokkanischen Moscheen. Kein Witz, acht Millionen Euro ist uns der Spaß wert. Wie es der Zufall wollte, ertönte neben mir gerade der Ruf des Muezzin, als ich davon las. Ich verbringe die Herbstferien regelmäßig mit der Familie in Marrakesch. Ich hatte also Gelegenheit, mich vom baulichen Zustand der marokkanischen Moscheen zu überzeugen.

Das Land leidet an Wassermangel, aber nicht an einem Mangel an Strom. Auch das Solarmodul ist dort wohl bekannt. Das Entwicklungshilfeministerium hat das Projekt nichtsdestotrotz in Auftrag gegeben, um auch den marokkanischen Imam in Sachen Energieeffizienz zu „sensibilisieren”, wie es in den Unterlagen heißt. Außerdem habe man das Thema Geschlechtergerechtigkeit adressiert: Sechs von neun Mitarbeitern, die man über die Vorteile erneuerbarer Energien unterrichtet habe, seien Frauen gewesen.

Man könnte verzweifeln, wenn es nicht so komisch wäre.

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