Schlagwort: Koalitionsgespräche

Der Schattenstaat

Die SPD hat den Verzicht auf alle Fragen nach der Finanzierung sogenannter Nichtregierungsorganisationen zur Vorbedingung für Koalitionsgespräche gemacht. Verständlich: Das Netzwerk der staatlich geförderten Aktivistenvereine ist die heimliche Machtbasis von Rot-Grün.

Deutschland steht am Abgrund. Nein, nicht wegen Donald Trump und dem Theater um Selenskyj. Auch das ist schlimm. Aber noch schlimmer ist es, wenn die Grundfesten des Gemeinwesens von innen ausgehöhlt werden!

Einen Anschlag auf die Demokratie hat die Linkspartei ausgemacht. Grünen-Vorstandsmitglied Sven Giegold sieht ungarische Verhältnisse aufziehen. Es drohe nicht weniger als die Überwachung und Einschüchterung der Zivilgesellschaft.

Was ist geschehen? Die CDU-Fraktion hat eine Kleine Anfrage eingebracht, in der sie die Bundesregierung um Auskunft bat, welche NGO vom Staat finanziert werden. So fragil ist unsere Demokratie: Eine parlamentarische Anfrage im Bundestag und alles, was unsere Verfassungsväter und -mütter auf den Weg gebracht haben, ist in Gefahr.

Ich dachte immer, NGO komme vom englischen Wort „Non-Governmental Organisation“, zu Deutsch „Nichtregierungsorganisation“. Also eine Institution, die unabhängig und überparteilich ist und staatlichen Akteuren kritisch auf die Finger schaut. Wie naiv von mir. Wie man jetzt weiß, steht NGO für „Organisation, die sich so an Staatsgeld gewöhnt hat, dass schon die Frage nach der Höhe als Sakrileg empfunden wird“.

In gewisser Weise verstehe ich die Aufregung. Schlüge mein Herz für Rot-Grün, hätte ich auch ein gesteigertes Interesse daran, dass die Umwegfinanzierung von Vereinen  wie „HateAid“, „Neue deutsche Medien- macher*innen e. V.“ oder dem Recherchenetzwerk „Correctiv“ nicht zu hell ausgeleuchtet wird. Was bei den Grünen unter Zivilgesellschaft läuft, meint in Wahrheit Vorfeldorganisationen der Bewegung. Hier liegt die eigentliche Machtbasis, auf der ein nicht unwesentlicher Teil des gesellschaftlichen Einflusses beruht.

Die „Welt“ sprach in einem Artikel vom „Deep State“. Ich hielt das für eine journalistische Übertreibung. Nach der Aufregung der vergangenen Tage muss ich sagen: Möglicherweise hat die „Welt“ doch recht. Wenn es verboten ist, nach Geldflüssen zu fragen, weil bereits die Frage als demokratiefeindlich gilt, ist „tiefer Staat“ eigentlich noch zu harmlos. Vielleicht sollte man eher von „Schattenstaat“ reden.

Man ist gut vernetzt, auch das zeigt sich jetzt. Wer als Journalist einen Artikel mit einem alarmierenden Zitat illustrieren will, muss nur anrufen, und die Nichtregierungsorganisation der Wahl hilft gerne aus. Die einen liefern die Studien, die andern die mediale Verbreitung, das ist der Deal.

Selbstverständlich hält der Betrieb jetzt auch schützend die Hand über die Partner. „Ich muss es so hart sagen: Ich dachte, ich lese eine Kleine Anfrage der AfD. Bin ehrlich entsetzt“, schrieb die „Spiegel“-Redakteurin Ann-Katrin Müller auf Bluesky. Am Dienstag folgte dann der Artikel über die „große Besorgnis“ linker Wissenschaftler über die „weitere Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft“. 1700 Unterschriften von „Forschenden“, von denen nicht wenige wiederum über enge Beziehungen zu den NGOs verfügen, deren Gelder sie nun unbedingt sichern wollen.

Einige NGOs begnügen sich nicht damit, die erwünschten Stichworte zu liefern. Im Zweifelsfall werden auch Gegner markiert und verleumdet. Ein beliebtes Mittel dazu ist die Liste. Die Bundesregierung fördert ein Projekt gegen Antifeminismus. Die Amadeu Antonio Stiftung richtet eine Meldestelle ein, bei der man jeden anzeigen kann, der sich eines antifeministischen Vergehens schuldig gemacht hat, wozu schon die Behauptung zählt, dass ein Mensch mit einem Penis keine Frau sein könne. So schließt sich der Kreis.

Als zentrale Anlauf- und Umverteilungsstelle staatlicher Gelder fungiert dabei das Bundesfamilienministerium. Hier laufen die Geldströme zusammen, von hier aus fließen sie über eine schier unübersehbare Zahl von Kapillaren auf die rot-grüne Blumenwiese. In manchen Fällen deckt die Förderung nahezu den gesamten Personaletat. Ausweislich des Haushaltsplans für das Jahr 2023 beliefen sich die Personalkosten der Amadeu Antonio Stiftung auf 6 291 809 Euro. Zuschüsse der öffentlichen Hand: 6 055 277 Euro. Womit sich der in Berlin ansässige Verein den Innovationspreis als erste staatseigene Nichtregierungsorganisation verdient hat.

Der größte Taschenspielertrick der Linken bestand schon immer darin, die eigenen Interessen als gemeinnützig auszugeben. Dass sich Lobbyisten für den Aufbau von Windanlagen oder die Einführung des Gendersterns einsetzen, so wie andere für den Schutz der Raucher oder die Rückkehr zu traditionellen Familienwerten – dagegen ist nichts zu sagen. Aber schon dieser Vergleich gilt als anstößig. Wenn linke Interessen berührt sind, geht es immer ums große Ganze. Wer das hinterfragt, stellt die Demokratie und den Rechtsstaat zur Disposition.

„Die sich heute als ‚links‘ Lesenden beziehen ihren Stolz aus moralischer Definitionsmacht“, hat Thierry Chervel, einer der unbestechlichsten Beobachter des politischen Geschehens, anlässlich des 25-jährigen Bestehens des „Perlentauchers“ in einem „taz“-Interview zu Protokoll gegeben. „Sie sehen sich als Wahrer bestimmter Normen und Standards, die sie selber setzen und die es ihnen dann ermöglichen, zu definieren, wer dazugehört und wer ausgeschlossen wird. Ihre Definitionsmacht ist zugleich ein Geschäftsmodell. Wer sich ihren Normen fügt und sie verficht, hat dann eine Chance auf eine Beamtenstelle im Beauftragtenwesen.“ Genau so ist es.

Es gebe nun wirklich Wichtigeres als ein paar Tausend Euro für die „Omas gegen Rechts“, heißt es jetzt. Das ist die zweite Verteidigungslinie: die Verharmlosung und Verniedlichung staatlicher Förderung. Dass dieses Argument von denselben Leuten vorgetragen wird, die eben noch die Demokratie am Abgrund sahen – egal. So ist das im linken Spiegelkabinett: Was gerade klein war, kann plötzlich ganz groß sein, und was eben noch groß erschien, um nicht zu sagen staatstragend, ist im Handumdrehen wieder ganz klein.

Immerhin ist das Thema der SPD als der letzten verbliebenen Schutzmacht der linken Quersubventionierung so wichtig, dass deren Anführer Lars Klingbeil den Verzicht auf weitere Fragen zur Finanzierung zur Vorbedingung von Koalitionsgesprächen gemacht hat. Größer geht’s eigentlich nicht.

Ich habe bei der Gelegenheit gelernt, dass Klingbeils Frau selbst eine NGO leitet, das Digitalnetzwerk D21. Googelt man weiter, erfährt man, dass die Initiative D21 im Geschäftsjahr 2023 von vier Bundesministerien Zuwendungen in Höhe von insgesamt 150 000 Euro erhielt. In jedem normalen Unternehmen wäre es ausgeschlossen, dass die Ehefrau eines der Vorstandsmitglieder aus der Firmenkasse Geld für ihre eigenen Projekte erhält. Aber solche Compliance-Regeln schenkt man sich in der Politik. Da arbeitet man ja für den Erhalt der Demokratie, da kann man auf solche Kleinigkeiten keine Rücksicht nehmen, nicht wahr?

Wir werden sehen, wie es weitergeht. Wer sich im Bundesfamilienministerium umhört, erfährt, dass dort, Stand Anfang der Woche, noch keine Anfrage eingegangen war. Auch in anderen Ministerien herrscht Stillstand der Rechtspflege, wie man so schön sagt. Offenbar setzt man im Kanzleramt darauf, dass sich die Sache im Sande verläuft, wenn man einfach so tut, als ob es die Anfrage der Union nie gegeben hätte.

„Die Linke hat keine Mehrheit mehr“, hat Friedrich Merz einen Tag vor der Bundestagswahl seinen Wählern zugerufen. „Die linke Politik ist vorbei.“ Das war keine Prophezeiung, das war ein Versprechen.

Ich wage an dieser Stelle eine Vorhersage. Wenn die Union klein beigibt, dann war’s das mit dem Ende der linken Politik. Dann wissen alle, wer in der neuen Regierung Koch und wer Kellner ist, um ein Wort von Gerhard Schröder aufzunehmen.

Gewiss gibt es wichtigere Themen als die 5000 Euro für die „Omas gegen Rechts“ oder die sechs Millionen für die Amadeu Antonio Stiftung. Aber manchmal ist es das symbolische Detail, das für das große Ganze steht.