Die Energiewende ist ins Stadium der Torheit eingetreten. Auch nach dem Krisengipfel gilt: Ab Januar 2024 sollen keine neuen Öl- und Gasheizungen zugelassen werden. Dabei sind viele Häuser für Alternativen ungeeignet
Ich möchte Ihnen einen Mann vorstellen, der es verdient hat, dass man ihn beim Namen kennt. Der Mann heißt Patrick Graichen. Herr Graichen ist verbeamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Das ist sein offizieller Titel. Ich würde sagen: Er ist der Mann, der es in der Hand hat, 35 Millionen Immobilienbesitzer so arm zu machen wie noch kein Staatssekretär vor ihm.
Patrick Graichen ist der Vater der Wärmepumpe. Vor vier Wochen hat ein Gesetzentwurf sein Haus verlassen, in dem steht, dass ab Januar 2024 in deutschen Häusern keine Gas- oder Öltherme mehr eingebaut werden darf. Ich dachte erst, es gehe um Neubauten. Das hätte ich verstanden. Wer ein neues Haus plant, kann Platz für Alternativen schaffen.
Aber nein, der Gesetzentwurf betrifft alle Heizungen in Deutschland. Das heißt: Wenn Sie nach dem 1. Januar 2024 einen neuen Brenner brauchen, dann haben Sie ein Problem, und zwar ein großes. Daran hat auch der Krisengipfel nichts geändert, der am Dienstag nach zähen Verhandlungen zu Ende ging.
Falls Sie beim Blick auf die „Bild“-Schlagzeile („Habecks strenges Heizungsverbot gekippt“) dachten, die Bundesregierung habe sich besonnen, muss ich Sie enttäuschen. Alles bleibt im Grunde beim Alten. Es gibt nur eine Änderung: Alte Heizungen dürfen länger in Betrieb bleiben, wenn sie mit klimafreundlichen Gasen laufen. Die Regierung nennt das „technologieoffen“. Da grüner oder blauer Wasserstoff so schnell nicht zur Verfügung stehen wird, kommt eigentlich nur Biogas infrage. Wohl dem, der über einen Misthaufen vor der Haustür verfügt!
Ich habe mich mit dem Thema aus Eigeninteresse ausführlich beschäftigt. Ich wohne in Pullach, im Süden von München. Das Haus ist von 1993. Der Vorbesitzer hat nicht viel machen lassen. Fast alles, was ich vorfand, als ich es vor fünf Jahren kaufte, war im Originalzustand.
Wie das so ist, wenn man renoviert, man fängt mit dem Dringlichsten an. Also Boden, Badezimmer, Leitungen, Fenster. Vor anderthalb Jahr war dann die Gasheizung dran. Ich habe den Monteur meines Vertrauens, den Fachbetrieb Daniel Dietze aus Pullach, angerufen und um Vorschläge gebeten. „Wie wär’s mit einer Wärmepumpe?“, habe ich gefragt. „Soll super sein. Außerdem gibt’s doch Zuschüsse, wie ich gehört habe.“
Herr Dietze hat mich mitleidig angesehen und dann geantwortet: „Erstens ist Ihr Heizungsraum zu klein, da passt nie und nimmer eine moderne Wärmepumpe hinein. Und zweitens: Auch die Wärmepumpe läuft nicht mit Luft und Liebe. In Ihrem Haus werden Sie am Ende des Jahres eine Stromrechnung bekommen, dass Sie vor Weinen nicht mehr in den Schlaf finden.“ Es ist dann ein moderner Brenner von Buderus geworden.
Mit der Wärmepumpe erreicht die Energiewende das Stadium der Märchenstunde. Oder soll man sagen: der Torheit? Alle wissen, dass das Vorhaben scheitern muss, aber keiner traut sich, es auszusprechen.
Viel war in den vergangenen Tagen von den Kosten die Rede. Das kommt ja dazu: So eine Wärmepumpe ist wahnsinnig teuer. Für meinen Gasbrenner habe ich alles in allem 13000 Euro bezahlt, inklusive Einbau und Inbetriebnahme. Dafür spare ich jetzt etwa 30 Prozent an Energie. Die Bilanz kann sich sehen lassen, wie ich finde. Aber das reicht den Leuten im Wirtschaftsministerium nicht. Deshalb muss jetzt auch die arme Oma auf dem Lande ran, die froh ist, dass sie ihr Häuschen abbezahlt hat.
Die entscheidende Frage wird interessanterweise selten gestellt: Funktioniert die Umstellung überhaupt? Beziehungsweise: Die Frage wird gestellt und auch beantwortet (und zwar abschlägig), aber die Antwort dann ignoriert. Im „Spiegel“ kam neulich die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker, lange Zeit Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen, zu Wort. Wie sie den Wärmepumpenplan der Regierung bewerte, wurde sie gefragt. Das sei ein Irrweg, den Wirtschaftsminister Habeck am besten sofort beenden sollte, lautete ihr Urteil. Viele Häuser in Deutschland seien für den Einsatz nicht geeignet. Außerdem gebe es weder genug Geräte noch Handwerker.
Möglicherweise liest man Wochenpresse im Wirtschaftsministerium nicht. Oder man denkt dort: Frauen auf dem Bau, die kann man ohnehin nicht ernst nehmen. Herr Graichen hat Politikwissenschaft studiert, bevor er bei einer grünen Lobbyfirma anheuerte. Politik ist ein schönes Studium. Bauphysik kommt da allerdings nicht vor. Ich bin der Letzte, ihm daraus einen Vorwurf zu machen. Ich habe Physik in der 10. Klasse abgewählt. Aber ich entwerfe eben auch keinen Energiemasterplan für Deutschland.
Die Bürger sollten sich keine Sorgen machen, heißt es jetzt, das Wärmepumpen-Projekt werde sozial abgefedert. Wer es sich nicht leisten könne, solle nicht mehr für eine Wärmepumpe als für eine Gasheizung zahlen müssen. Niemand werde im Stich gelassen, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Dienstag. Das ist jetzt der Plan: Wir nehmen Milliarden in die Hand, um ein Vorhaben zu finanzieren, von dem alle wissen, dass es nicht funktionieren kann. Das ist die Torheit auf die Spitze getrieben.
Bleibt noch die Frage nach dem Einbau. Wann haben der SPD-Vorsitzende oder der Bundeswirtschaftsminister das letzte Mal versucht, einen Handwerker zu bekommen? Aber vielleicht läuft es ja wie bei der Bahn: Um ihr Image zu verbessern, hat die Bahn ein Programm aufgelegt, wonach Pünktlichkeit garantiert ist, sobald ein Spitzenpolitiker den Zug besteigt. Möglicherweise gibt’s das jetzt auch für Monteure.
Was sagt Herr Graichen zu allem? Vor ein paar Monaten war der Staatssekretär zu Gast beim Verband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Geht eine Hand hoch: Wo denn die 60000 Handwerker herkommen sollen, die es schätzungsweise bräuchte, um die ehrgeizigen Pläne der Bundesregierung in die Tat umzusetzen? Na ja, sagte der Herr Staatssekretär, dann müssen halt ein paar Fliesenleger weniger Fliesen verlegen. Es gab ein sehr lautes Klack, als allen die Kinnlade runterfiel.
Eine Lösung: Solange es noch erlaubt ist, den alten Brenner durch einen neuen ersetzen. Dann ist man erst einmal auf der sicheren Seite. In jedem Fall aber würde ich dazu raten, Ersatzteile zur Seite zu legen. Reparaturen sind weiterhin erlaubt, wie Robert Habeck vor ein paar Tagen sagte: „Wer kaputte Ölheizungen oder Gasheizungen hat, der kann sie heile machen. Und zwar nicht nur einmal, sondern so lange, wie es irgendwie geht.“
Also: Austausch ist ab Januar verboten, aber „heile machen“ ist okay. Ich prophezeie Ihnen, Ersatzteile für Öl- oder Gasheizungen sind ab nächstem Jahr das neue Gold. Falls Sie mir nicht glauben: Ich bin nicht der Einzige, der das so sieht. Die Professorin im Rat der Wirtschaftsweisen, Veronika Grimm, spricht vom „Havanna-Effekt“. So wie die Kubaner immer noch mit brüchigen Oldtimern durch die Straßen fahren, werden viele Deutsche mit allen Mitteln versuchen, ihre alte Heizung über die Zeit zu retten.
Aus München erreichte uns diese Woche übrigens die Nachricht, dass sich die Besit-zer von Elektrofahrzeugen auf höhere Strompreise einstellen müssen. An den Schnellladestationen der Stadtwerke München steigt der Preis bei Gleichstrom auf 79 Cent pro Kilowattstunde. Das macht umgerechnet auf 100 Kilometer 15,80 Euro. Da fahren viele Verbrenner günstiger.
Anderseits: Wer hat gesagt, dass der Umstieg auf Strom Geld spare? Seien Sie froh, wenn überhaupt Strom fließt. Die Besitzer von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen sollten sich auf Engpässe einstellen, hat kürzlich der Chef der Bundesnetzagentur gewarnt, es könne zu Stromrationierungen kommen.
Vielleicht ist die Pelletheizung die Lösung, und sei es als Back-up. Holz gibt’s immer.
© Sören Kunz
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