Linke Tasche, tiefe Tasche

200 Millionen Euro zur Stärkung der Demokratie? Der Kampf gegen Rechts ist ein Geschäftsmodell, das den Beteiligten nicht nur Podiumsplätze und Professorentitel, sondern auch beträchtliche Subventionen sichert

Bin ich ein Rassist? Ich habe vor zwei Wochen über die Probleme mit Ausländern geschrieben. Beziehungsweise darüber, warum ich glaube, dass wir gar kein großes Integrationsproblem haben. Mit den allermeisten Leuten, die zu uns kommen, gibt es null Scherereien. „Wir haben kein Problem mit Chilenen. Oder Koreanern. Oder Vietnamesen“, schrieb ich. „Wir haben ein Problem mit Zuwanderern aus türkischen, afghanischen und arabischen Familien.“

Unter den Zuschriften, die mich erreichten, waren auch eine Reihe Mails von Deutsch-Türken, die es leid sind, dass sie ständig in Haftung genommen werden für Leute, die sich daneben benehmen. „Ich wollte Ihnen für den Text danken, den ich als ehrlich und unverfälscht empfunden habe“, erklärte eine Berliner Leserin, deren Name darauf schließen ließ, dass ihre Vorfahren aus der Türkei stammten.

Einer der wenigen, die dezidiert anderer Meinung sind, ist der Soziologe Oliver Nachtwey. Er sieht die Sache nicht nur anders, wie er mich via Twitter wissen ließ. Er findet, dass jeder, der die Sache so sieht wie ich, ein Rassist ist. Wörtlich schrieb er: „Es gibt ein Wort hierfür: Rassismus.“

Ich bin selten sprachlos. Hier war ich es für einen Moment. Wäre der Mann Anführer einer linken Hochschulgruppe oder Redakteur einer Postille wie der „Jungle World“ – meinetwegen. Aber Soziologe? Wenn es eine Wissenschaft gibt, die daran interessiert ist, was Kollektive voneinander unterscheidet, dann die Soziologie.

Warum die eine Gruppe mühelos den Aufstieg schafft, während die andere von Generation zu Generation weiter zurückfällt, ist eine Frage, die zu den Klassikern der empirischen Sozialforschung zählt. Gut, Nachtwey ist Professor in Basel. Das erklärt einiges. Da versucht man sich besonders weit nach links aus dem Fenster zu lehnen, um nicht als rückständig zu gelten.

Für alle, die noch nie von Herrn Nachtwey gehört haben: Er ist der Star einer Szene, die überall rechte Umtriebe wittert. Für Oliver Nachtwey beginnt Rechtsradikalismus mehr oder weniger bei der FDP. Das hat ihn zu einem gefragten Podiumsgast gemacht.

Von Nachtwey stammt der Begriff des „libertären Autoritarismus“, in dem nicht zufällig Adornos „autoritärer Charakter“ als Wegbereiter des Faschismus anklingt. Der Begriff mag etwas akademisch klingen, aber dahinter steht die eingängige Idee, dass jeder, der findet, dass sich der Staat zu sehr ins Leben seiner Bürger einmischt, im Grunde ein Demokratieverächter ist.

Wir sind vermutlich das einzige Land der westlichen Welt, in dem das Wort Freiheit unter Totalitarismusverdacht fällt. Aber so sind die Verhältnisse. Wer seine Kinder gewähren lässt, wenn sie sich die Freiheit herausnehmen, Getränke mit zu hohem Zuckergehalt zu bestellen, gilt bereits als Nazi.

Wie geht man am besten gegen Rechts vor? Das ist die Frage der Stunde. Mit jeder Umfrage, in der die AfD einen weiteren Prozentpunkt zulegt, wird die Frage hysterischer.

Ich halte die AfD ebenfalls für eine ziemlich unappetitliche Partei. Wer Björn Höcke gut findet, hat sich aus dem Kreis derjenigen, die man ernst nehmen kann, verabschiedet. Ich weiß, das wollen viele Leute nicht hören. Ich sehe schon die enttäuschten Leserzuschriften vor mir. Aber so sehe ich die Dinge nun einmal.

Ein Politiker, der so redet, als ob er nachts Goebbels-Reden auswendig lernt, um sie anderntags in Versatzstücken auf thüringischen Marktplätzen auszuprobieren, ist für mich ein politischer Harlekin. Bestenfalls. Und nein, ich schreibe das nicht, weil mich mein Verlag dazu zwingt. Ich schreibe das aus Überzeugung. Dennoch sollten wir nach meiner Auffassung mehr Realismus walten lassen.

Wir geben Unsummen für den Kampf gegen Rechts aus. Die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder hat unlängst in einem Beitrag für die „Welt“ darauf hingewiesen, dass sich die finanziellen Mittel seit ihrer Amtszeit verzehnfacht haben – von 20 Millionen Euro im Jahr 2013 auf aktuell 200 Millionen Euro.

Legt man die Wahlergebnisse der AfD zugrunde, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass es keine Bundesförderung gibt, die sinnloser ist. 2013 lag die AfD noch bei fünf Prozent, jetzt sind es laut Umfragen 20 Prozent. Aber das hindert die Befürworter selbstredend nicht, mehr Geld zu fordern.

Im Gegenteil, gerade die Erfolglosigkeit wird zum Argument, warum es mehr Unterstützung brauche. „Scheinbar haben 200 Mio ja nicht gereicht“, schreibt die ehemalige ARD-Korrespondentin Christiane Meier unter der Überschrift „Dümmer geht’s nimmer“ in einer Antwort auf Schröder.

So lautet auch die Begründung, wenn sich jemand traut, eines der unzähligen Programme infrage zu stellen. Als das Justizministerium vor vier Wochen ankündigte, die Unterstützung der Beratungsstelle „Hate Aid“ einstellen zu wollen, setzte sofort ein großes Wehklagen ein. „Was, gerade jetzt wird an Projekten gespart, die die Demokratie stärken?“, lautete der Tenor.

In Wahrheit ist der Kampf gegen Rechts ein einträgliches Geschäftsmodell, das einem nicht nur Professorentitel, sondern auch staatliche Subventionen in beträchtlicher Höhe sichert.

Noch hochtrabender als die Projekttitel („Firewall – Hass im Netz begegnen“, „Antifeminismus begegnen – Demokratie stärken“) sind nur die Selbstbeschreibungen. „Als #dafür Plattform bringen wir Menschen zusammen, die sich radikal konstruktiv gegen die politische Ideen- und Mutlosigkeit stellen und keine Lust mehr auf den eskalierenden gesellschaftlichen Diskurs haben“, hieß es auf der Webseite der „Initiative Offene Gesellschaft“, die aus dem Bundesfamilienministerium Fördermittel in Höhe von insgesamt 1,78 Millionen Euro erhielt.

Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Programme scheitern müssen. Nur ein paar Ministeriale, die seit Jahren nicht mehr den Weg vor die Tür gefunden haben, können ernsthaft glauben, dass man Menschen davon abhält, für die AfD zu stimmen, wenn man ihnen die Vorteile geschlechtergerechter Sprache nahebringt. Oder sie auffordert, bei der „Meldestelle Antifeminismus“ transfeindliche Äußerungen zu melden.

Es spricht viel für die Annahme, dass der gegenteilige Effekt eintritt. Je mehr Geld man Einrichtungen wie der „Amadeu Antonio Stiftung“ zuschanzt, desto mehr Menschen sagen sich: Vielleicht sollten wir es doch mal mit der AfD versuchen, damit der Quatsch ein Ende hat.

Der Washington-Korrespondent des „Spiegel“ René Pfister hat darauf hingewiesen, dass schon in Amerika die Idee, die aufgeklärten Kräfte müssten sich nur entschieden genug zusammentun, um die Gefahr von Rechts abzuwehren, krachend gescheitert ist. „Es grenzt an magisches Denken, wenn Journalisten glauben, die AfD werde geschwächt, wenn wir nur fleißig genug ‚Schutzsuchende‘ statt ‚Flüchtlinge‘ schreiben“, schrieb er in einem viel beachteten Artikel. „Gerade im Osten haben viele durch das Aufwachsen in einer Diktatur eine Aversion gegen die Kontrolle von Sprache.“

Aber wer weiß, möglicherweise ist ja genau das der eigentliche Zweck der Operation. Das Schlimmste, was einem Subventionsprogramm passieren kann, ist, dass es sich selbst überflüssig macht. Würde die Kampagne gegen Rechts so wirken wie versprochen, würden die Rechten ja an Zuspruch verlieren, sodass man auch die Förderung sukzessive zurückführen müsste. Was soll dann aber aus all den Antirassismus- und Antifeminismusexperten werden, die sich der Stärkung der Demokratie verschrieben haben?

Gottlob lässt die Ampel niemanden im Stich. Deshalb hat die Bundesregierung zum Jahreswechsel das sogenannte Demokratiefördergesetz auf den Weg gebracht, dessen wesentliches Ziel es ist, die Mittel zu „verstetigen“, wie es in der Beamtensprache heißt. Das ist geradezu genial: Man verzichtet nicht nur auf jede Evaluierung, was aus dem Geld wird, das man einsetzt. Man sichert den Empfängern auch noch zu, dass es bei der Finanzierung bleibt, egal, wie sich die politischen Verhältnisse entwickeln.

Die Menschheit hat lange vom Perpetuum mobile geträumt. Beim Kampf gegen Rechts ist diese Wundermaschine Wirklichkeit geworden.

© Silke Werzinger

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