„Klimaschutz wird endlich bezahlbar“, hieß es vor dem Volksentscheid zur Klimaneutralität in Hamburg. Jetzt ist von 60 Milliarden Euro die Rede. Hafen, Airbus, Mieten und Co. – jetzt zeigt sich der ganze Wahnsinn des Klimaentscheids.
Ach, Hamburg, Perle des Nordens, Du herbe Schöne. Was haben sie nicht alles über Dich geschrieben: Dass Du die Seele eines Pfeffersacks besäßest, dass Krämergeist und Pfennigfuchserei Dich regieren würden. „Wahr ist es ein verludertes Kaufmannsnest hier. Huren genug, aber keine Musen“, schrieb Heinrich Heine, der undankbare Reimeschmied, bevor es ihn ins lotterhafte Paris zog.
Und nun? Nun bist Du das Leuchtfeuer der Klimabewegten, Hoffnung aller Niedergedrückten und Verzweifelten, die eben noch in Erwartung des nahen Klimatods ihr Dasein fristeten.
Was für ein machtvolles Signal, das von der Hansestadt ausgeht, welches Zeichen der Ermutigung für die Welt. Alles, wofür die Klimabewegung auf die Straße gegangen war, schien zu Staub zerfallen, das 1,5-Grad-Ziel fernes Echo besserer Zeiten. Und jetzt: Der Rollback ist gestoppt, die CDU und mit ihr alle Neinsager beschämt. All Eyes on Hamburg!
Kein Wunder, dass sie bei den Grünen vor Glück ganz aus dem Häuschen sind. „Wir haben Geschichte geschrieben, eine Mehrheit der Hamburger:innen hat beim Volksentscheid für ein neues Klimagesetz gestimmt“, triumphierte Luisa Neubauer. „Nach mehr als zweieinhalb Jahren Arbeit, unzähligen Flyern und Haustürgesprächen hat Hamburg nun das ambitionierteste und sozialverträglichste Klimaschutzgesetz in ganz Deutschland“, jubilierte Fridays for Future über den „wahnsinnig großen Erfolg für die Zivilgesellschaft“.
Nun gut, die Mehrheit der Hamburger ist am Wahltag streng genommen zu Hause geblieben. Von den Wahlberechtigten haben tatsächlich lediglich 23,2 Prozent für mehr Klimaschutz gestimmt. Die Sache wird auch nicht ganz billig. Zwischen 60 und 80 Milliarden wird die Operation kosten, wie man jetzt lesen kann. Das klingt zugeben etwas anders als das Versprechen, das auf den Plakaten prangte. „Klimaschutz wird endlich bezahlbar“, stand da. Aber mei, so ist das halt, wenn man fürs große Ganze streitet, da kann man nicht in jedem Detail sattelfest sein.
Die Ungläubigen haben auch am Brexit gezweifelt. „Take back control“, hieß der Slogan auf der englischen Seite des Kanals. Ströme von Geld würde der Bruch mit Europa in die britische Staatskasse spülen, so hatten es die Befürworter dieses Volksentscheids versprochen. Die Sanierung des maroden Gesundheitssystems? Ein Klacks, den man aus den gesparten EU-Milliarden wie nebenbei bezahlen werde.
Okay, auch beim Brexit sind noch ein paar Anfangsschwierigkeiten zu überwinden. Aber der echte Brexiteer weiß: Das gelobte Land kommt – wenn nicht heute, dann morgen. Da können die Kleingläubigen noch so viel daran herumkritteln und herummäkeln.
Für alle Zweifler und Zyniker sieht auch der Volksentscheid in Hamburg nach einem Stück aus dem Tollhaus aus. Wir reden immerhin von der größten Industriestadt Deutschlands und einem der wenigen Nettozahler im Länderfinanzausgleich. Wenn Hamburg ausfällt, bleiben neben dem notorisch prosperierenden Bayern nur noch Baden-Württemberg und Hessen.
Airbus kann sich schon mal nach einem neuen Standort umsehen. Flugzeuge wird man auch in 15 Jahren nicht klimaneutral produzieren können. Für das Aluminium und Kupfer verarbeitende Gewerbe heißt es ebenfalls arrivederci. Der berühmte Hamburger Hafen, neben Rotterdam Powerhouse des Nordens und wichtigster Geldbringer der Stadt, muss sich leider auf Schrumpfung einstellen.
Man kann auch mit E-Fuels und Wasserstoff Containerschiffe betreiben. Aber beide Varianten stehen bislang nicht einmal als Prototyp zur Verfügung. Und dass sich die Chinesen entscheiden werden, vom Diesel Abschied zu nehmen, damit sie in Zukunft weiter Hamburg ansteuern dürfen, ist eher unwahrscheinlich.
Auch das Versprechen des sozialverträglichsten Klimaschutzgesetzes in ganz Deutschland steht auf tönernen Füßen. Allein bei der städtischen Saga, mit 140.000 Wohnungen das größte Immobilienunternehmen der Stadt, stehen jetzt Investitionen von 1,5 Milliarden Euro ins Haus. Fachleute schätzten, dass die Miete für eine durchschnittliche Wohnung um 350 Euro im Monat steigen wird, und da haben wir noch nicht von der Umrüstung des Fuhrparks gesprochen.
Die Krankenschwester mit dem Drei-Liter-Lupo kann sich schon mal einen Termin zur Stilllegung buchen. Da die Anschaffung eines E-Autos trotz Kaufprämie für sie eher nicht infrage kommt, bleibt der Umstieg aufs Fahrrad. Aber man soll ja eh mehr an die frische Luft.
Langsam dämmert auch den Politikern in Hamburg, dass die Nummer etwas groß geraten ist für den Stadtsäckel. „Allein werden wir es nicht packen“, erklärte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank nach dem Wahlausgang und erbat umgehend Hilfe aus Berlin. Das klang nicht mehr nach „Klimaschutz wird endlich bezahlbar“, sondern eher wie der verzweifelte Aufschrei einer Mittvierzigerin, die sich im Überschwang der Gefühle in den Fummel geschmissen hat, um mit dem Latin Lover durchzubrennen, und dann am Morgen verkatert aufwacht und feststellt, dass der Beau mit den Ersparnissen durchgebrannt ist.
Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass viele Hamburger für den Klimaentscheid gestimmt haben, damit sie endlich mal als cool gelten. Verstehen Sie mich nicht falsch, Hamburg ist eine wunderbare Stadt. Ich habe dort die ersten 25 Jahre meines Lebens verbracht. Aber verglichen mit anderen Großstädten ist es doch eher verschlafen. Selbst München ist dagegen eine Partyhochburg, von Berlin gar nicht zu reden.
Wenn der Hamburger einen draufmacht, trinkt er einen Aperol Spritz mehr, als ihm guttut, und ist dann ganz erschrocken, wenn er aus der Rolle fällt. Seine Vorstellung vom wilden Leben beschränkt sich darauf, dem Fahrradhändler 50 Euro zuzustecken, damit der den Motor beim Lastenfahrrad so pimpt, dass er mehr als 25 Stundenkilometer schafft.
Dank der Klimawahl wissen wir jetzt auch, wo die Zivilgesellschaft wohnt. Am Morgen nach der Abstimmung postete der Finanzsenator Andreas Dressel ein Schaubild der Mehrheitsverhältnisse. Die Viertel, in denen die Zustimmung über 50 Prozent gelegen hatte, waren hellblau markiert, die Gegenden, in denen die Mehrheit anderes für wichtiger hielt, dunkelblau.
Die Grenze zwischen Zustimmung (hellblau) und Desinteresse (dunkelblau) verlief dabei ziemlich genau zwischen Innenstadt und Außenbezirk. Zur Ehrenrettung des Finanzsenators muss man sagen, dass er zu den wenigen gehört hatte, die vor einem Ja zum Klimaentscheid gewarnt hatten.
Dass die Auseinandersetzung ums Klima auch eine Klassenfrage ist, hat man schon bei den Protesten der „Letzten Generation“ sehen können. Die Aktivisten, die sich auf der Straße anklebten, waren bereits am Vornamen als Angehörige der höheren Schichten zu erkennen.
Niemand in Hamburg-Harburg oder Hamburg-Billstedt nennt seine Kinder Yannik oder Annika. Umgekehrt sind Vanessa, Justin und Jason im Kader von Fridays for Future eher selten vertreten.
Man darf gespannt sein, wie das Experiment weitergeht. Ich erwarte jetzt ein strenges Südfrüchte-Verbot für alle Innenstadtlagen und Flüge nach Mallorca nur noch auf Bezugsschein. Steckrübe und Kohl sind im Winter ebenfalls sehr bekömmlich. Und man will ja schließlich mit gutem Beispiel vorangehen, nicht wahr? All Eyes on Hamburg!
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